Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/161

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Jetzt war der Alte in großer Noth. Wenn die Flöte nicht noch eine besondere Kraft hat, dachte er, so bleibt mir nichts übrig, als den Ring in die Höhe zu werfen.

Er trat, gleichsam als wär er aufgebracht, dem Zauberer einige Schritte entgegen: „Das heißt doch Gastfreiheit! Ich diene dem Herrn aufs beste bei seiner Braut, zum Dank soll ich ihm noch meine Flöte, meine Erhalterin, da laßen. Ob denn der Herr nicht ein Bißchen Schaam mehr hat? – Nun! gegen seine Geister kann ich nicht streiten. Ich blase mir noch ein Stückchen, das letzte, und dann fahre wohl, du treue, liebe Gefährtin. – Ihm, Herr, wirds aber nicht zum Seegen gedeihen.“

Er sahe die Flöte wehmüthig an, er seufzte, er setzte sie an die Lippen. Sidi war in der höchsten Angst.

Es war das süßeste Wiegenlied, was Lulu seiner Flöte entlockte; es war wie ein leises Hin- und Herschaukeln, ein sanftes Lullen, ein mildes Wehen zartes Lufthauchs. Alles wurde still und stumm, die Augen fielen zu; die Köpfe nickten; die Gäste lehnten sich an ihre Sitze, die Schützen waren mit dem Gewehr im Arm und die Sklaven mit den Schüßeln auf den Händen wie versteint, und Alles lag zuletzt in dem allerfestesten Schlafe, der Zauberer am meisten, der sehr viel Wein getrunken hatte.

Lulu küßte dankbar seine Flöte, trat zu dem Zauberer hin und zog ihm leise den Stahl aus dem Busen, der in einer ledernen Tasche steckte. Indem er den Stahl untersuchte und unversehens eine Stahlfeder berührte, erwachten die Geister, sahen sich verwundernd an und machten gegen Lulu so dehmüthige Gebehrden, als ob sie seine Befehle erwarteten. – Indem er sich besann, was er mit dem Unhold anfangen sollte, regte sich Sidi im Schlummer. Er drehete seinen Ring und weckte sie ganz auf. „Du bist erlöst,