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stille See, und um den See wuchs ein Buchenwald, und gab ihm den Namen, und jetzt ist auch von diesem Walde längst keine Spur mehr vorhanden, sondern der See liegt mitten in einer Ackerflur – so lange ist es schon her. Da nun leider auch die drei guten Fräulein mit versunken waren, und die Unschuldigen mit den Schuldigen, wie so häufig geschieht, leiden mußten, so wurden sie begnadigt, Nixen zu werden, und durften alle Jahre einmal nach dem nahen Dorfe Wilbrechtrode zur Kirmse fahren. Dort machten sie durch ihre Schönheit großes Aufsehen, und man glaubte, sie seien vornehme Stadtjungfern aus Salzungen. An einem solchen Kirmsentage kam ein Jäger aus Salzungen noch spät von der Jagd, sah die Fräulein in der Mitternachtstunde in ihren ganz altmodischen Wagen steigen, und setzte sich hinten auf, um schneller heimzukommen. Da hörte er es plötzlich rauschen und fühlte, wie Wasser zu ihm heraufspritzte, sprang schnell vom Tritt, und hatte Mühe, zum See’srande emporzuklimmen – hinter ihm sank der Wagen in den See hinab, und die Wellen schlugen rauschend über ihm und den drei Fräulein zusammen. Später haben sich diese Jungfrauen des Buchensee’s auch einmal verspätet, wie insgemein die Nixen der Sage thun, und haben ihre Tanzlust mit dem Leben büßen müssen.

Weiter hinab im Werrathale, bei Merkers, blitzt auch ein ziemlich umfangreicher See, und eine Stunde weit zur rechten hinüber nach dem Walde zu liegt ohnweit dem bedeutenden Frauensee, ehemaliger Klosterort, der kleine Hautsee beim Dörfchen Dönges – mit schwimmender Insel. Auch dort die allverbreitete Nixensage heimisch – einem Nixenpärchen, das nach Dönges zum Tanze kam,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)