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sein soll, und endlich brachte die allerneueste Zeit und Dichtung denselben mit dem Minnesingerkriege auf dem, dem Hörseelenberge so nahen Schlosse Wartburg in eine innige poetische Verbindung.

74.
Frau Hulda.

Von Frau Hulda wäre sehr viel zu schreiben. Ihr Wesen verliert sich in das Dunkel der Frühzeit, aus dem sie als eine Gode, Gute, Göttin, niederschwebt, als Erdmutter gleichsam, die anderorts Jertha, Hertha, Nerdus hieß, und wieder Frau Gode, Frau Gaue, Erche, Hercha, Herke, Harke u. s. w. In Thüringen heißt und ist sie die Frau Holde, Hulda, im Voigtland Berchta oder Perchta, in Tirol Perchtl. Selten jungfräulich, meist fraulich gedacht, erscheint sie als Mutter, Mutter zahlloser Kinder, in manchen Ländern als Mutter der Wichtlein, der schwachen Heimchen, der vom Wode verfolgten Moos- und Holzweibel, immer als Schutzgottheit, und so steht auch alles Heim, alles häusliche Leben unter ihrem besondern Schutze, vorzugsweise aber wieder das Frauenleben, wie es in der Urzeit war, die Flachs- und Linnenbereitung, das fleißige spinnen, das weben, daher war sie selbst Spinnerin, sie war die Schöpferin des, später Marienfäden genannten „fliegenden Sommers;“ sie selbst flog und fuhr, letzteres entweder auf einem Wagen oder Räderschiffe auf der Erde, oder frank und frei durch die Lüfte fahrend ohne Wagen und ohne Flügel, eher noch als Schimmelreiterin, gleich

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)