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76.
Königin Reinschwig.

Ganz eigenthümlich und selbstständig, ohne ihr einen Halt in verwandten thüringischen Sagen zu bieten, führt die thüringische Chronikensage eine Königin ein, Reinschwig geheißen, und bringt sie mit dem Fegefeuersitz im Hörseelenberge in Verbindung. Diese Königin soll um das Jahr 1143 in England gelebt und mit ihrem Gemahl eine sehr glückliche Ehe geführt haben. Die Geschichte weiß von einer Königin dieses Namens nichts, die Chronikensage aber berichtet von ihr schlicht und treuherzig[WS 1]. „Als ihr Herr König in Engelland, (der ihr aus der Massen lieb war, denn er sie aus einem geringen Geschlechte zur Königin, um ihrer Tugend willen, erwehlet hatte) gestorben war, wollte sie auch der Treue, so er an ihr gethan, nicht vergessen, gab viel Almosen und ließ viel Seelmessen lesen, der Meinung, ihren Herrn damit aus dem Fegfeuer zu erlösen. Als sie nun solches mit großer Andacht eine Zeitlang getrieben, kömmt des Nachts eine Stimme zu ihr, die saget, es wäre ein Berg, der läge eine Meil Weges jenseit Eisenach, darin würde die Seele ihres Herrn gequälet. Darauf rüstete sie sich mit ihren Jungfrauen zu, und zog in Thüringen bis an denselbigen Berg, und bauete darunter eine kleine Kirche, und weil sie hörete ein jämmerlich Geschrei der Seelen in diesem Berge, und des Teufelsgespensts, so darüber erschienen, ((damit ist das wüthende Heer gemeint)) nannte sie den HöreSeelBerg, daher er auf die heutige Stunde genannt wird der Hörselberg, und unter dem Berge bauete

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: treuherig
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)