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ihren mit Edelsteinen besetzten goldenen Kronenreif vom Haupte, legte ihn neben sich, und fiel betend auf die Kniee nieder. Dieses zog ihr Verweiß und Vorwurf zu. Auch waren Leute am fürstlichen Hofe, denen Elisabeths Milde und Demuth ein Dorn im Auge war, die sagten, sie halte sich nicht, wie eines Königs Kind, sondern wie eines Bauern Tochter.

Von solchen Ohrenbläsern mag ihr manche trübe Stunde bereitet worden sein. Mancher Tadel, manche verletzende Rede berührte unsanft der holdheranblühenden Jungfrau zartbesaitetes Herz, als: man werde besser thun, sie ihrem Vater wieder nach Ungarn zu senden – man werde sie in ein Kloster stecken müssen, wo sie sich dann satt beten könne – es finde sich für den jungen Landgrafensohn wohl eine anständigere Braut – und solcher Aeußerungen mehr. Doch gab es auch Augen, die mit Liebe auf ihr weilten und Männer, die übeln Rath in seine Schranken wießen; zu diesen letzteren gehörte der wackere Schenke, Herr Walther von Vargila, der Elisabeth aus ihrem Heimathlande nach Thüringen geführt hatte, wo sie nun aufblühte gleichwie eine schöne duftende Lilie unter Dornen.

94.
Elisabeths Vermählung.

Unter allem Seelenweh, das seine Dornen ins Gemüth der hehren königlichen Jungfrau Elisabeth schlug, blieb ihr doch ein süßer und hoher Trost nächst dem Gefühle ihrer Demuth und ihrer Zuflucht bei Gott durch Gebet

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)