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da sie wieder allein bei einander waren, der Landgraf fragte, wo das herrliche Kleid hergekommen, das er ja nie an ihr erblickt, da antwortete sie herzinnig: Lieber Bruder, Gott kann, was er will.

Ehe noch Landgräfin Elisabeth ihren ersten Sohn gebar, reisete sie mit ihrem Gemahl zum Besuch an den Hof ihres Vaters nach Ungarn mit großem und stattlichem Gefolge gräflicher und ritterlicher Männer und Frauen. Dabei sollen gewesen sein ein Graf Heinrich von Schwarzburg, Günther von Kefernburg, Heinrich von Stolberg, Gottfried von Ziegenhain, auch wieder der alte getreue Graf Reinhard von Mülberg und Walter Schenk von Vargila mit Rudolf, seinem Sohne, zum Theil mit ihren Frauen und Töchtern und vielen anderen. Da richtete König Andreas noch einmal eine Hochzeit aus und übereignete dem landgräflichen Paare abermals einen reichen Schatz von Kostbarkeiten aller Art, und begabte die Begleiter und Begleiterinnen je nach Rang und Geschlecht in freigebigster Weise.

Als Elisabeths Schwägerin Agnes das Hochzeitmahl auf Schloß Wartburg festlich ausgerichtet wurde, und das Haus von Gästen wimmelte, fehlte, als man zur Tafel gehen wollte, die Landgräfin. Diese war vor der Treppe im Mushause auf einen fast nackten Armen gestoßen, der sie flehentlich um Almosen und um Bedeckung seiner Blöße anrief, und anhielt mit Bitten, wie das kananäische Weiblein. Da nun Elisabeth bereits alles weggegeben hatte, was sie bei sich trug, so warf sie dem Armen ihren seidenen Mantel über. Nun war es aber Zeitsitte damals, im Mantel zur Tafel zu gehen, und als Elisabeth ohne solchen erschien, fragte der Landgraf, wo sie ihn gelassen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)