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101.
Vergeltungen.

Viele hatten nicht gut und recht gegen Elisabeth gehandelt, und mehrere derselben traf dafür die Hand der Vergeltung. Leider stand der Landgraf Heinrich Raspe unter diesen in erster Reihe. Wenn er auch berechtigt erschien, der maaßlosen Freigebigkeit seiner verwittweten Schwägerin Schranken zu setzen, so mußte er doch anders gegen sie handeln als er that. Er stieß Mutter und Kinder in das Elend hinaus, statt dem Neffen ein treuer Vormund zu sein, er wollte nicht Verweser Thüringens sein, bis der Knabe Ludwigs zu reiferen Jahren gekommen, sondern Selbstherrscher, Alleinregent. Eine neue Dynastie wollte er begründen, sein Stamm sollte herrschen über das Thüringerland. Sein Bruder Konrad mochte von gleicher Gesinnung beseelt sein, er übernahm die Regentschaft von Hessen. Landgraf Hermann blieb zur Seite gedrängt, auch als er herangewachsen war, man verheirathete ihn, als er fast noch im Knabenalter stand, und als zu fürchten war, daß er, zur Einsicht gekommen und vom Herzoghause Braunschweig, aus dem seine Gemahlin Helene stammte, unterstützt, vielleicht mit Nachdruck sein Vatererbe fordern werde, da verschwand er, erst 17 Jahre alt und erbenlos, aus der Reihe der Lebendigen. Die Volksstimme der Mitwelt beschuldigte geradezu Heinrich Raspe, daß er seinen Neffen durch Gift aus dem Wege zum Landgrafenthrone geräumt habe. Landgraf Konrad bestand viele Kämpfe, kam in den Bann des Papstes und der Kirche, und wurde darauf Deutschordensritter – er konnte daher Thüringen keinen Erben geben, da er sich

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/194&oldid=- (Version vom 1.8.2018)