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106.
Der Taufritt.

Die Bürger von Eisenach hielten zu ihrem alten Herrn, sandten Eilboten an den Kaiser, schlossen die Wartburg wiederum ganz eng ein und schnitten ihr alle Zufuhr ab, was bei der Unzugänglichkeit ihrer Lage auf einem hohen Felsen sehr leicht war. Außerdem war mit stürmen und steinschleudern der hohen Bergfeste nicht beizukommen. In dieser Zeit genaß des Landgrafen junges Ehegemahl, Frau Elisabeth, eines Töchterleins auf Schloß Wartburg, das konnte nicht getauft werden, denn es war kein Geistlicher auf der Burg und auch keiner zu erlangen. Da faßte Friedrich der freudige einen raschen Entschluß. Er erkürte aus der Zahl seiner Mannen zwölf tapfere Kämpen, stieg mit ihnen zu Roß, hieß die Amme mit dem Kinde ebenfalls ein sicher trabendes Rößlein besteigen, ritt mit ihnen bei nächtlicher Weile einen Saumpfad von der Burg nieder, durch das Hellthal, über den Gaulanger, der vor dem Frauenthore lag, und gewann den Thalgrund des Engelsbach oder Sengelbach hinter dem Karthäuserberge, von da aus die Weinstraße und so weiter. Die Reiter waren schon ziemlich weit, als in der Stadt Lärm wurde, die Wächter ihre Hörner erschelleten, und eine Reiterschaar aus dem Nicolaithore hervorbrach, den Flüchtigen nachzujagen, was sie mit großem Lärm und Geschrei that. Wie nun Friedrich mit den Seinen immer rasch vorwärts ritten, schrie das Kind heftig und die Amme hielt ihr Rößlein an. – Was ists? Was fehlt dem Kinde? Warum schreit es? fragte der Landgraf, und riß sein Roß herum. – Herr! erwiederte die Amme: es hat Durst! Es schweiget

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/209&oldid=- (Version vom 1.8.2018)