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die aber alle nur mittelst der Wünschelruthe gehoben werden können, weil sie von den Venetianern versetzt, d. h. unsichtbar gemacht, verzaubert, sind – einmal ging der Sömme allein durch den Wald, und fand eine solche Höhle offen, kroch auch ein Stück hinein, kam aber an ein breites Wasser, und über dem Wasser lag, groß und dick wie ein Baumstamm, eine Feuer und Flammen auszischende Wächterschlange. Da gab der alte Sömme schleunigst Fersengeld. Hätte er den Muth gehabt der Schlange auf den Kopf zu treten, dann hätte sich dieselbe in eine feste Brücke verwandeln müssen, über die er hätte schreiten können, und nehmen so viel er gewollt.

An einem goldenen Sonntage gingen mehrere Männer aus Steinbach spatzieren, und trafen eine vorher von ihnen nie gesehene Höhle an, vor der sie Kleider, Ranzen und Wanderstäbe liegen fanden, und muthmaßten, diese Stücke müßten Venetianern angehören, welche in die Höhle gekrochen seien. Um diesen einen Possen zu spielen, versteckten sie die Sachen hinter einen Baum, und sich selbst verkrochen sie hinter einen anderen, um ihre Freude daran zu haben, wenn jene aus der Höhle kämen, und in Verlegenheit geriethen. Doch aus der Höhle kam niemand, die lauschenden Steinbacher aber überkam der Schlaf, und sie fanden sich mit einem male in einer ihnen wildfremden Gegend, erblickten andere Bäume, andere Blumen, andere Menschen, als daheim, und verstanden die Sprache nicht, welche in dieser fremden Landschaft geredet wurde. Endlich gesellten sich ein Mann zu ihnen, der verstand ihre Sprache in etwas, und sie klagten diesem ihre bereute That und ihre Sehnsucht nach der Heimath. Der Mann warnte sie, gleich dem treuen Eckart, das was sie gethan, ein

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)