Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Erster Band.pdf/275

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
138.
Hausgeister in Brotterode.

In der Gegend des Fleckens Brotterode, am östlichen Fuße des Inselberges, lebt ebenfalls die Wichtleinsage, nur daß diese Erdzwerge dort minder als Berggeister, denn als hülfreiche Hüthchen und Hausgeister auftreten. Auf einer großen Waldwiese zwischen Brotterode und der Ruhl, welche „der Mönch“ heißt, stand einst eine Schleifmühle, deren Besitzer ein Hausgeist fleißig diente. Sonach müssen diese Hüthchen sich leichter als andere an das Geräusch der Klingen und Schleifsteine gewöhnt haben, als die Berggeister um Steinbach. Das Hüthchen in dieser Schleifmühle schliff selbst unermüdlich, und der Schleifer brauchte seine Klingen nur in das Werk zu thun und sich dann nicht weiter darum zu bekümmern, er fand sie dann am andern Morgen nicht nur geschliffen, sondern auch polirt wieder. Zu Zeiten ließ sich das Hüthchen auch erblicken – es trug sich wunderlich genug, erschien als ein kleines Männlein, so groß etwa wie ein einjähriges Kind, hatte ein Hüthchen auf, das einer umgestülpten Glockenblume oder einer Fingerhutblüthe glich, und gab zu Zeiten einen ganz eigenthümlichen Ton von sich. Da wandelte eines Tages dem Schleifmüller in seltsamer Laune die Lust an, diesen Ton seines kleinen Hülfsgeistes spöttlich nachzuahmen, als das Hüthchen sich zuerst vor ihm sehen und diesen Ton vernehmen ließ. Da verstummte der Geist und verschwand. Am andern Morgen lagen die Klingen ungeschliffen im Werke, am folgenden stand das Wasserrad – der Müller verfiel in große Armuth, bis er zuletzt

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/275&oldid=- (Version vom 1.8.2018)