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35.
Hennebergische Neckelust.

Wie nicht selten in kleinen Städten Deutschlands ist auch in Themar ein gutes Theil ächter Volkshumor und Neckelust, insonderheit gegen Nachbarstädte, vorhanden. Davon einige Pröbchen, die zwar keine Sagen sind, aber doch werth, aufbewahrt zu werden, und vielleicht als Bausteine zu einer großen deutschen Schildbürger-Walhalla mitzudienen, und da wir diese schwerlich selbst aufbauen werden, so soll doch andern dazu Geneigten der Stoff nicht vorenthalten bleiben.

Die Schleusinger nennen die Themarer Linsenfresser und Themar das Linsenländle, weil hier viele Linsen gebaut werden, und es alle Sonnabend von Haus zu Haus Linsensuppe giebt.

Dagegen nennen die Themarer ihre lieben Nachbarn, die Schleusinger, Speckschwarten, und geben ihnen Schuld, sie bestrichen den Mund mit Speck und sähen dann zum Fenster heraus, daß die Leute wegen des glänzenden Mundes denken sollten, sie hätten so fett gespeist.

Die Römhilder werden von ihren Themarer Nachbarn Aalfänger genannt, und zwar deshalb: Eines Morgens war einmal ein großer Aufstand unter den Leuten zu Römhild, und es hieß, im Brunnen sei ein großmächtiger Aal; da haben denn die guten Römhilder Fischgarn und alles Fischfangwerkzeug herbei geholt und haben den großen Aal gefangen, und wie sie ihm heraus brachten war’s – ein Faßreif.

Die Suhler nennen die Themarer Seestädter wegen der Dielen- und Holzflöße auf der Werra. Und die Suhler

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)