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werden dagegen von jenen die Jaufertle genannt, weil es nur in Suhl so kleine possirliche Backwerke giebt, welche diesen Namen führen.

In Spitznamengebung sind die Themarer sehr stark, und in ihrer Ausdrucksweise äußerst spott- und neckelustig. „Schlaf süß, so hast du morgen was zu lecken! – Schlaf rund, daß du nicht eckig wirst!“ sind scherzhafte Gutenachtgrüße. Große Augen sind mißliebig, da heißt es gleich: „der oder die kann nicht sehen, muß sich mit glotzen behelfen. Hä glotzt, wie a Laabfrosch, sie glotzt wie der Koppehügel, wie ä Kreuzspinn’. Der Glotzkopf glotzt durch neun Paar lederne Hosen, der Siebenglotzer etc.“ Eine Dame, welche ein wenig schielte, hieß „Schiekelepom,“ eine Frau, die ihren Mann häufig prügelte: „Ratelepompoff.“ Ein Geck mit zierlich beweglichem Gang wird „Schwanzer“ genannt, von einem stets hochmüthig einherstelzenden Brüderpaare hieß der eine „Bästerz,“ und der andere „Sterzbä“ – Beinsterz (Bachstelze) und Sterzbein. Ein Kaufmann, der die Seele mit in seine Waaren wog, und der Schaale immer mit dem Daumen zum niedersinken verhalf, wurde bald im ganzen Städtchen „der Daumenwieger“ genannt. Auch sind nicht selten die Spitznamen erblich. Einst fand man ein neugeborenes weibliches Kind auf dem Acker in ein Krauthaupt gebettet, und zog den armen Findling auf, der alsbald den Namen „Krauthätle“ durchs Leben zu tragen bekam. Es wurde eine Gänsehirtin aus dem Mädchen, welche, ohne sich zu vermählen, auch der Mutterfreuden theilhaftig ward. Das Kind hieß wieder „Krauthätle,“ wurde auch wieder Gänsehirtin, und brachte als solche „Krauthätle III.“ zur Welt. Krauthätle II. sprang vor mehreren Jahren aus Armuth und Lebensüberdruß

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)