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und konnte nicht weiter fortgebracht werden. Und da liegt er noch immer, denn niemand kann ihn erheben, geschweige von dannen tragen. Gleichwohl wurde der Leineweber seines Vergehens losgesprochen, doch sollen seitdem seine Zunftgenossen keine langen Schürzen mehr tragen, sondern kurze.

57.
Der begrabene Däumling.

Vor mehreren Jahren wurde am sogenannten steinernen Hause zu Frauenbreitungen etwas reparirt. In der Mittagsfeierstunde sah einer der Maurergesellen müßig aus einer Luke desselben in die daran stoßenden Gärten. Da gewahrte er, wie eine Frau gegangen kam, unter einem alten Birnbaume ein Loch in die Erde grub, darauf eine Schachtel unterm Mantel hervorzog, und in das Loch verscharrte, welches sie sodann sorgfältig wieder mit Rasen bedeckte. – Gern hätte der Maurergeselle sogleich, nachdem die Frau wieder fortgegangen war, seine rege gewordene Neugierde befriedigt, und auf der Stelle nachgesehen, was eigentlich die Frau dort unter dem alten Birnbaum vergraben habe. Allein die Feierstunde war vorüber, und der Geselle mußte wieder an die Arbeit. Fest nahm er sich aber vor, am Feierabend die Sache zu untersuchen, erzählte auch einem Mitgesellen was er gesehen, und forderte ihn auf, nach beschlossener Arbeit ihn unter den alten Birnbaum zu begleiten, und mit nachzusehen. Der Mitgeselle sagte zu, konnte aber nicht Wort halten, weil er gegen Abend von seinem Meister einen Gang aufgetragen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)