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und von diesem Geschäfte meistens erst spät in der Nacht heimkehrte. So hatte er auch an einem sehr stürmischen Wintertage in einem Hause zu Böhmersdorf geschlachtet und wurde erst spät den Abend mit dem Wurstbereiten und einpökeln des Fleisches fertig. Nur noch heftiger hatte sich indeß draußen das Wetter erhoben, und der kalte Wintersturm jagte dunkle Wolken vor sich her, die Massen von Schnee über das Land ausschütteten, so daß Schnee und Dunkelheit es kaum wagen ließen, den nächtlichen Heimweg anzutreten. Doch trotz alles Zuredens machte sich der alte Metzger unerschrocken auf den Weg und wies selbst die Laterne, die man ihm anbot, hartnäckig zurück. Mühsam mußte er sich durch Sturm und Schnee jeden Schritt vorwärts erkämpfen und langte endlich in dem Kirchenholze an, wo er vor dem Sturme geschützt freier zu athmen begann. Doch kaum war er daselbst angelangt, so tönte der zwölfte Stundenschlag von dem fernen Triebeser Kirchthurme zu ihm herüber, und wenn er nicht so glücklich gewesen wäre, in ebendemselben Augenblick einen willkommenen Gefährten seines Weges zu sinden, so hätte wohl bange Furcht das sonst so unerschrockene Herz übermannt. Ein alter Jugendgenosse, ein Bauer aus Böhmersdorf, der in die Teichmühle bei Triebes gehen wollte, gesellte sich nehmlich zu ihm, und unter traulichen Gesprächen wurde der Weg nun zurückgelegt. Schon waren die nächtlichen Wanderer bis zu den starken Fichten, die auf dem Damme des großen Mühlteichs standen, gekommen, als der Sturm mit heftiger Wuth sich erhob, und durch die Wipfel der alten Bäume heulte, der Mond hell leuchtend aus den Schneewolken hervorbrach und geisterbleich das Thal erleuchtete. Da verließ der Gefährte

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)