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Seligkeit erlangen könnten. Die Frau Perchtha sei das Teufelsgespenst, welches in gewissen Nächten, namentlich in der Christ- und Dreikönigsfestnacht durch die Lüfte fahre, und den Frauen und Mägden den Rocken verwirre, auch tausche sie mit sammt den Heimchen gern die Menschenkinder ein, und schiebe an deren Statt gräuliche Wechselbälge. Diese Lehre faßte tiefe Wurzel, die Menschen mieden nun die harmlosen Heimchen als unheimlich, bargen die Kinder vor ihnen und verschmähten ihre Hülfe. Da ward an einem dunkeln Dreikönigsabend der Fährmann unten in Preswitz zwischen der Hohewest- und der Alter-Mühle gerufen, und als er zum Strome kam, sah er eine verschleierte stattliche Frau im schlossenweißen Kleide, und viele Kinder um sie her, die alle trübe und traurige Mienen hatten, und es graute dem Fährmann, er gedachte auch der Lehre von der Teufelin, und daß just Perchthazeit und wollte nicht überfahren. Da bedräuete ihn aber Frau Perchtha, denn sie war es wirklich, sehr hart, und er fuhr über, und zwar dreimal, denn sein Kahn faßte nicht die Menge der Kleinen, deren immer mehr zu werden schienen, und der Nachen war jedesmal schier übervoll. Drüben am jenseitigen Ufer stand auf einem Ackerfelde, das dem Fährmann gehörte, dessen Pflug, und an ihm zimmerte ausbessernd Frau Perchtha, und als die Ueberfahrt vollendet war, bedeutete sie jenen, als Lohn seiner Mühe die abgefallenen Spähne zu nehmen. Unwillig über so argen Hohn und kargen Lohn, doch voll Furcht vor dem Nachtgespenst raffte der Schiffer einige Spähne auf, fuhr heim und legte sich schlafen. Am Morgen darauf fand er drei schwere Goldstücke, und ärgerte sich, nicht mehr Spähne eingesteckt zu haben. Und

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/190&oldid=- (Version vom 1.8.2018)