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Rinde nicht, doch brach sie ein Stückchen davon ab und warf es auf ihr übriges Reissig, worauf sie den Heimweg antrat. Als sie des andern Tages einheizte, glitzerte etwas ganz hell in der Reissigwelle, und mit Verwunderung sah die Bäuerin, daß es der Splitter jener Wiege und von gediegenem Golde war.




322.
Das vertriebene Holzweibel.

Zu Wilhelmsdorf hielt sich im Hause einer Bauernfrau ein Holzweibel auf, das war gar hülfreich und thätig, in Haus und Hof, Küche und Keller, Stall und Stadel. Es scheuerte, fütterte, molk und mähte, und der Hausstand dieser Bäuerin war der blühendste im Orte. Abends hatte das hülfreiche Holzweibel sein Plätzchen hinter dem Ofen, sagte den Leuten gute Lehren und Sprüchlein, z.B. Schneid das Brod gleich, so wirst Du reich, oder: Piep kein Brod, so leid’st Du keine Noth! Back’ keinen Kümmel in’s Brod. Schäl’ keinen Baum, erzähl’ keinen Traum – und Andere. Das Waldweibel beschickte auch den Ofen, und half kochen und backen, dabei jedoch erwieß es sich nicht in alle Wege zur Zufriedenheit der Hausmutter, denn insgemein nahm es den ersten Klos für sich heraus, und verzehrte ihn hinterm Ofen, ehe noch angerichtet wurde, und so that es auch mit dem frischbackenen Brode. Da gedachte die Frau des Sprüchleins: back keinen Kümmel in’s Brod, – und da buk sie nun zum Trotz dem Weibel Kümmel in’s Brod, und piepte es, d. h. sie machte mit den Fingerspitzen Eindrücke in die Brode, bevor sie in

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/192&oldid=- (Version vom 1.8.2018)