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den Backofen geschoben wurden. Kaum aber schmeckte das Waldweibel den ihm verhaßten Kümmel, und sah, daß dasselbe gepiept war, so schrie es zornig die Hausfrau an:

Hast Du mir gebacken Kümmelbrod,
Buckst Du Dir selbst die schwere Noth!

Und ging auf und davon. Und wie die glückbringende hülfreiche Hand des Holzweibels nun fehlte, ging es im Hause jener Frau alsbald mit dem Wohlstand den Krebsgang, und sie kam so herunter, daß sie weder Brod mit noch ohne Kümmel hatte.




323.
Holzweibel beklagt sein Männchen.

Mein Großvater, erzählte ein junger Bursche aus Wilhelmsdorf, saß an einem sehr dunkeln Winterabende mit den Seinen um den Tisch, als plötzlich die Thüre auffuhr und ein Holzweibel mit Geheul und Geschrei hereintrat, und jämmerlich die Hände rang, indem es schmerzvoll ausrief: Huhu, der wilde Jäger! huhu, hat mein Männel erschossen! Huhu! – Alle erschracken, doch der Hausvater fragte: Und warum denn, was hat’s denn gethan? Da seid Ihr Schuld daran! erwiederte weinend das Holzweibel: Ihr habt heute wieder ein Bäumchen auf den Stamm gedriebt,[1] da muß allemal eines von uns sterben: Huhu! Thuts nicht wieder! Um Gotteswillen nicht, huhu! Und da ging das Weibel in der Stube

  1. Drieben heißt in der Volkssprache des Voigtlandes ein Bäumchen so lange umdrehen, bis Rinde und Bast sich vom Stamme lösen.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)