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ein wildes Gespann rasselnd daher ihm entgegen, und auf dem Wagen saß Perchtha, hielt an und rief dem Bergmann gebieterisch zu, er solle schnell zur Hand sein und mit einem Holzpflock eine schadhafte Stelle am Wagen verkeilen. Der Bergmann war wohl zur Hülfe bereit, doch entschuldigte er sich damit, daß er der Wagnerkunst nicht kundig, auch weder Holz noch Messer zur Hand habe. Die Perchtha jedoch reichte ihm Holz und Messer dar, und er schnitzte den Keil, so gut er’s eben konnte, und half dem Fehler des Wagens nach, auch so gut er’s konnte. Sehr gnädig that Frau Perchtha nach ihrer Gewohnheit und schenkte dem Bergmann die abgefallenen Spähne, ja sie ließ sich herab, seine Taschen selbst damit anzufüllen, dann fuhr sie weiter, in die dunkle Nacht hinein. Als der Bergmann heim kam, lag seine Frau in Wochen und hatte ihm ein Paar Zwillinge geboren, und wie er nun sein Gewand ablegte, quollen die Spähne, des Hülfreichen Lohn und Segen, in Gold verwandelt, aus den Taschen, und er war aller Sorgen enthoben.

Aehnliches soll sich auch zugetragen haben mit zwei Bauern aus Jüdewein, die zu Köstnitz im Kruge saßen und wacker zechten, so daß sie die Heimglocke überhörten. Der Wirth war schläfrig, hätte die späten Nachtgäste gerne fortgehabt, und bemerkte ihnen, sie möchten sich doch nicht zu sehr verspäten, da es Perchthenabend sei. Die Zecher sagten, daß sie, weil sie zu Zweit, sich nicht fürchteten, und endlich brachen sie aus. Just zwischen den nahe bei einander liegenden Orten Jüdewein und Köstitz, auf der Stelle, wo die Landesgrenze hindurchzieht, kam Perchtha mit ihrem zerbrochenen Wagen gefahren und nöthigte die beiden zu Hülfe, sie dann mit Spähnen belohnend.

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/201&oldid=- (Version vom 1.8.2018)