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Die Hohewart und Frau Welle.

In der Nähe von Kaulsdorf über Saalfeld, zwischen erstgenanntem Dorfe und dem Altar, erhebt sich eine Kuppe, die heißt die Hohewart. Dort hatte der wilde Jäger am liebsten seinen Zug, denn dort herum gab es viel des Wildes, das dieser suchte. Einst hörte ein Bauer das wüthende Jagdheer über sich dahin brausen und schrie dem wilden Jäger zu: Halbpart auf der Hohewart! und am andern Morgen hatte er seinen genugsamen Jagdantheil, den ganzen Hof voll todter stinkender Waldweibel und Moosmännel, nebst allerlei unheimlichem Geflügel und Galgenvögeln, und war die Menge gar nicht fortzubringen, und blieb schier eine Woche lang. Erst am Sonnabend Abend war es plötzlich verschwunden.

Auf der Hohewart stand ein alter Thurm, darin soll eine weiße Frau gewohnt haben, welche „Frau Welle“ hieß, ein Name, aus welchem sich ganz so schön Weleda dichten läßt, wie aus Chatten Hessen. Nach ihr soll ein nahes Thal auch noch das Valleidathal heißen, sie selbst aber sei eine Rune gewesen, bei der sich die Umwohner Rathes erholt, und nun wandere sie noch, weißgekleidet, mit breitem Gürtel aufgeschürzt, und mit langem, bis zu den Fersen abwallenden Haare. Sie schützte die Waldmännchen und Holzweibel – gehört demnach in den Perchthasagenkreis – wunderlich ist’s, daß eine halbverklungene Sage die „Frau Welle“ auch als „fahle Kuh“ erscheinen und wandern läßt. Auch im nahen Grunde des Wynitzbaches geht an einem Felsenberge, der die Trudenkuppe heißt, eine genugsam bezeichnende

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/203&oldid=- (Version vom 1.8.2018)