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noch ein halbes Stündchen zugab. Als er sie nun nach dem Flusse begleitet hatte, nahm sie zärtlicheren Abschied als je zuvor, und sagte wehmüthig: Das halbe Stündchen über die Zeit werde ich schwer büßen müssen, und dich vielleicht nie wiedersehen. Wenn sich das Wasser über mir roth färbt, bin ich eine Leiche. Dann suche dir nur ein anderes Liebchen, denn ich mag nicht, daß du meinetwegen deine Jugend vertrauerst. Sie umarmte ihn zum letzten Male und tauchte in den Fluß. Augenblicklich färbten sich die klaren Wellen roth, wie Blut. Der Bursche hat aber keine wieder geliebt und hat sich aus Gram an derselben Stelle in den Fluß gestürzt, gleich jenem treuen Friedel in der Todtenlache bei Schleusingen (s. Sage 173.)




351.
Vom alten Schlosse Schwarzburg.

Das höchst romantisch gelegene Schloß Schwarzburg, das Ziel zahlloser Reisenden, soll in sehr frühen Zeiten begründet worden sein. Alte thüringer Chronikenschreiber berichten, als Dieterich von Bern, der nahe Anverwandte des Königs Irminfried, in das Thüringerland gekommen, seien in seinem Gefolge tapfere Mannen gewesen, die haben aus der Höhe über dem tiefen und wilden Thalflusse eine Kohlenbaute gefunden, und diese Meilerstätte zur Anlage eines Burgbaues erkoren. Andere sagen, daß ein naher Verwandter des großen Sachsenherzogs Wittekind, der den gleichen Namen geführt, Gefangener Kaiser Karl des Großen geworden, der ihn habe taufen lassen, und selbst sein Taufpathe geworden sei, weil er Wohlgefallen an dem stattlichen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)