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Das Querlichloch bei Garsitz.

In dem Schöpsberge, einer hohen Felsengruppe von Flözkalk westlich oberhalb Königsee, befindet sich eine ansehnliche Grotte, die aus zwei Abtheilungen besteht, deren jede 40 Fuß lang, 20 Fuß breit und 10 Fuß hoch ist. Vor uralten Zeiten wohnten in diesem Loche „Querliche“ (Gezwerge, Zwerge), die große Schätze an Gold und Silber bewahrten und darin haushielten. Diese Gezwerglein waren Mittelwesen zwischen Menschen und höheren Geistern; sie hatten jedoch immer noch etwas irdisches an sich. Ihre Gestalt war sehr klein, nicht viel größer als eines Schuhes hoch, und sie trieben allerlei unheimliche Stücke in den Berghöhlen, namentlich aber gruben sie nach Gold und Silber auf dem Geböre und im Lommel. Die gefundenen Schätze aber häuften sie im Querlichloche auf, und bewachten sie. Sie hatten die sonderbare Gewohnheit, barfuß und barhäuptig zu gehen; dabei waren sie launenhafte, sehr reizbare, doch wieder auch dienstfertige Wesen, und halfen, wenn man es mit ihnen gut meinte, dem Hausherrn und seinem Gesinde überall, namentlich bei Fütterung des Viehes. Wer sie reizte oder erinnerte, daß sie keine Barettlein oder Schuhe hätten, dem thaten sie manchen Schabernack an.

Einmal wohnte eine Pächterin in Garsitz, eine alte, gute verständige Frau, die es mit den Querlichen, welche sie im Winter öfters besuchten, ganz gut meinte. Nach dem Abendessen gingen die Querliche in den Stall und fütterten die Schafe, wodurch Knechte und Mägde aller Arbeit überhoben wurden. Die Futtervorräthe, sie mochten noch so gering sein, nahmen niemals ab und in Mißärnten

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)