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als die Burg Kiphausen oder Kifhausen, ja selbst die deutsche Mythe schmückt diesen wundersamen Bergscheitel und seine Umgebung, und erhebt ihn zu einem ihrer Träger, zu einer der weitvoneinander gelegenen Säulen ihres großen Tempels, die durch ganz Thüringen vereinzelt stehen. Wilde Heerzugsage, Zwergsage, Rittersage, Bergwerks- und Venezianersage, alle sind hier vereinzelt zu finden, und zwar wundersam durcheinander gemischt. In den Vorgrund aller aber tritt die Sage von dem in den Schoos des alten Bergschlosses verzauberten Kaiser. Das war Friedrich I., zubenamt der Rothbart, der war vom Papst in den Bann gethan, und las kein Priester mehr ihm die Messe, und that sich keine Pforte einer Kirche oder Kapelle vor ihm auf, so gewaltig war zu seiner Zeit die geistliche Macht, und wäre derselben auch nichts lieber, als wiederum so gewaltig zu werden. Da mochte der Kaiser Friedrich nicht mehr auf der Welt sein, und legte ein Gewand an, das ihm aus dem Lande India verehrt worden, nahm ein Fläschchen mit duftendem Wasser zu sich, bestieg sein Lieblingsroß, und ritt in einen dunkeln tiefen Wald, und es folgten ihm nur wenige seiner getreuen Wappner. Im Walde drehte Kaiser Friedrich ein Wunschringlein, das er am Finger trug, und wünschte sich weg von der Welt, und entschwand dem Angesichte der seinen, und ward nie wieder gesehen. Nach anderer Sage aber habe er seine Wappner und auch seine Tochter und deren Hoffräulein, auch manchen Gezwerg allzumal mit hinab gewünscht in einen Berg, und das sei der Kiphäuser, wiewol auch Berge anderer Länder als der Sitz des unterirdischen Kaiserhofhaltes genannt werden, so der Untersberg bei Salzburg in Oesterreich, ein Berg bei Kaiserslautern und

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/252&oldid=- (Version vom 1.8.2018)