Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/295

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Grunde strecken Tannen ihre Wipfel empor. Besonders eigenthümlich ist diesem Gehölz und den Kammerlöchern, so heißen die Felsenkammern bei den Umwohnern, der mystische Eibenbaum, Taxus baccata, dessen auch Shakesspeare im Macbeth gedenkt, und der im deutschen Volksaberglauben eine nicht unwichtige Rolle spielt.

In jenen Kammerlöchern haußten einst, so berichtet die Sage, Zwerge in großer Anzahl. Sie wühlten von der Wache, so heißt der Theil des Berges oberhalb des Dorfes Angelrode, weil im dreissigjährigen Kriege ein Schwedisches Wachtpiket dort gestanden, bis zum Kummel, der vorspringende Bergstock, an welchem das Angelroder Wirthshaus mit seinem vortrefflichen Felsenkeller gelegen, einen Stollen, und gelangten durch diesen in den Wirthskeller, dem sie an Wein und Lebensmitteln merklichen Abbruch thaten. Diese Zwerge haußten im Schoos der tiefen Felsenkammern lustiglich, und thaten sich gütlich an des Wirthes Wein und Bier und sonstigen Vorräthen. Außerdem übten sie noch manchen Schabernack und manche Neckerei gegen die Bewohner der umliegenden Dörfer. Der Wirth wußte lange nicht, wer seine Diebe seien, warf Verdacht auf sein Gesinde und seine Hausgenossen, und machte diesen Verdruß durch falschen Verdacht. Endlich gerieth er auf den Einfall, Asche in den Keller zu streuen, um vielleicht an den Fußtapfen die unsichtbaren Beizapfer zu erkennen. Und als er eines Abends dieß gethan und des andern Morgens nachsah, fand er zahllose kleine Spuren von Gänsefüßen ähnlichen Füßchen, die aus einer Felsspalte im tiefsten Hintergrund des Kellers gekommen waren, und in diese sich verloren. Der Wirth holte sich Rath bei einem weisen Mann, der lautete, man solle, wenn

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/295&oldid=- (Version vom 1.8.2018)