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in Jahresfrist ein neues Geweih, aber nicht alle Jahre findet sich ein auserwähltes Glücks- und Sonntagskind, das reinen Herzens und makellosen Wandels, ja kaum alle hundert Jahre einmal. Jedenfalls hat die Sage früher diesem Hirsch auch die auf ihm reitende wilde Jagdfrau gesellt, wie dort im Ilmthale, denn sie oder der wilde Mann, der wilde Jäger, sind selten fern, wo von Zwergen die Sage geht.




419.
Die verstopfte Salzquelle.

Beim thüringischen Städtchen Plaue an der Gera, das früher nur ein Dorf war, sprang eine reiche Soolquelle, und brachte den Ort also hoch in Flor, daß er zum Städtlein ward, und die Bürger alle sich in Sammt und Seide kleideten, auch erbaute Graf Heinrich von Schwarzburg mit Zustimmung des Landgrafen Friedrichs von Thüringen 1324 dicht über Plaue ein starkes Schloß zum Schutze des Städtleins und als einen Schlüssel des Thales, die Ehrenburg geheissen, und Kaiser Ludwig verliehe gnädiglich 1335 einen ewigen Wochenmarkt. Ein böser Siedeknecht zu Plaue, der etwa mit dem Siedemeister oder Salzgrafen Verdruß hatte, verstopfte mit seinem seidenen Wams die Soolquelle und versetzte sie mit einem Zauber, so daß sie aufhörte, und nicht mehr floß, und des Städtleins Wohlstand sank, und davon nichts übrig blieb, als ein blauer Sammt-Aermel, mit dem der Bürgermeister sich Sonntags zum Fenster herauslegt, voll Amtswürde und voll Erinnerung an die alte Herrlichkeit. Dicht vor Plaue nahe der Straße nach Ilmenau und

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/298&oldid=- (Version vom 1.8.2018)