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Büchse nicht mehr töde? da solle er doch einen Feuermolch oder Unk hinein laden, und dergleichen – und das alles wurmte den Caspar sehr, ging daher zu einem alten Jäger, der bewährt war in Jägerkünsten, guten und schlimmen, und klagte diesem Miß- und Ungeschick. Der alte Jäger schüttelte den Kopf und sagte: Dir soll bald geholfen werden. Gehe morgen in aller Frühe nach Gehlberg in die Glashütte; nimm Deine Kugelform mit, und forme Dir eine Kugel aus reiner Glasmasse. Auf alle Fälle hat Dir ein Feind einen Weidmann gesetzt, aber das Glas widersteht allem Zauber und allem Bösen, deswegen können sich auch der Teufel und die Hexen nicht im Spiegel sehen. Mit dieser Kugel, die Du stillschweigend in Deine Büchse laden mußt, schieße Du nur in Gottes Namen auf den Hirsch. Caspar befolgte diesen einleuchtenden Rath, ging Abends abermals wegen dem Hirsch auf den Anstand, und brauchte gar nicht erst zu warten, so kam der kapitale Bursche und äsete sich, und schaute sich um. Ein Blitz – ein Ruf: in Gottes Namen! und da brach der Hirsch zusammen, und freudig eilte Caspar zu ihm hin, ihm den Genickfang zu geben, falls er nicht völlig gut dahin getroffen haben sollte, wohin er gehalten, nämlich nach dem Kopfe. Aber o Schreck – da lag kein Kapitalhirsch – da lag mausetod der Prinzipal und Vetter, der sich durch böse Weidmannspraktiken selbst in den Hirsch verwandelt hatte. So hatte er seinen Lohn dahin. In das Kirchenbuch zu Gräfenrode wurde aber der Unglücksfall folgendermaßen eingetragen: „A. 1690, den 16. Septbr. ist der Fürstl. Sachs. Forst-Knecht, Herr Joh. Valentin Grahow, Abends nach 4 Uhr von seinem Vetter Caspar, der ein Jäger-Bursch war, im Walde am Schneekopf,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)