Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/51

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einen engen Gang, ein paar Acker lang, dann eine Grotte, in der just ein Mann nothdürftig stehen konnte, und in der Grotte viele kleine Oeffnungen, wie Seitenkämmerchen, da aber erfaßte die Bursche allzumal ein Grausen, und sie enteilten der Zwergenhöhle, und es war ihnen mehrere Tage übel zu Muthe, und nie gedachte ihrer einer wieder daran, noch einmal dort hinein zu gehen.

Einem Bauer aus Naila, welcher Kohmann hieß, und mit 2 Pferden seinen Acker bestellte, brachte seine Frau ein neugebackenes Brod zum Frühstück, das sie in ein reines Tüchlein gebunden hatte, und auf den Ackerrain legte, worauf sie den Rain mit der Sichel abzugrasen begann. Da trat, wie aus der Erde emporgewachsen, ein Zwergweibchen zu dem Ackersmann, und sprach zu ihm: Leihe mir Dein Brod! Du bist noch nicht hungrig, aber meine Kinder hungern sehr, und unser Brod ist noch im Backofen. Bis zur Mittagsstunde bringe ich Dir anderes Brod. Der Bauer war es zufrieden, er wußte ohnehin, daß mit den Zwergen nicht viel zu spaßen war, und jenes Weiblein nahm sein Brod und ging. Kaum war in der Mittagsstunde das Gebimmel des Zwölfuhrglöckchens vorüber, welchem Gebimmel die Zwerge gar nicht grün sind, so war die Zwergin wieder da, hatte in einem äußerst feinen Tüchlein einen frischbackenen Brodkuchen, reichte denselben im Tuche dar und sprach: Nimm und iß ohne Scheu! Es soll Dir gedeihen! Das Tuch lege hin, ich hole es wieder, aber wir sehen uns nicht wieder. Das Volk der Zwerge muß auswandern – ihr zwingt uns dazu. Eure Hämmer und Pochwerke, euer Glockengeläute und ewiges Gebimmel, euer fluchen und schwören, das alles ist’s, was uns vertreibt. – Und damit verschwand

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)