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gekommen und habe sich auf den frischen Stock dieser Eiche gesetzt, da derselbe dreimal bekreuzt war.




206.
Der Venetianer.

Wie im Thüringischen Gebirge, auf dem Harze, dem Erz- und Riesengebirge u. a. findet man auch im Voigtlande die Sage weit verbreitet, daß Venetianer Erz und andere Schätze daselbst gesucht und gefunden hätten. Vor ohngefähr 200 Jahren lebte auch ein solcher Venetianer oberhalb einer Bretmühle in einer Höhle; den Eingang dieser Höhle sah man recht gut von Ferne, jedoch nie in der Nähe. In dieser Höhle vernahm man häufig starkes pochen und hämmern. Einst erblickte zur Mittagszeit der Sohn des Bretmüllers den Venetianer in sehr zerlumpten Kleidern, vor dem Felsen stehen; der junge Müller war so keck, nach dem Fremdling mit Steinen zu werfen. Ein Stein traf unglücklicherweise das Auge des Italieners und verletzte es bedeutend. Sogleich wurde der junge Bretmüller sinnlos, stürzte wie betäubt zu Boden, und als er wieder zu sich kam, befand er sich in Venedig, was er auf sein Befragen, wo er wäre, erfuhr. Aus dem Palaste, vor dem er stand, sah ein vornehmer einäugiger Mann heraus. Dieser rief den Knaben auf sein Zimmer und fragte, wo er her sei? Der Knabe erzählte, aus der Bretmühle bei Greiz; nun fragte der fremde Mann wie er hierher käme? Offen gestand der Knabe den Hergang. Als nun der Herr dem Knaben versicherte: er sei der Mann, welcher die Höhle bei der Bretmühle bewohnt habe,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)