Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/82

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

so wollte dieß der Knabe durchaus nicht glauben. Nun ging der Herr in ein Nebenzimmer, legte die Prunkkleider ab, und zog die Lumpen an, worin ihn der Knabe schon einmal erblickt hatte. Jetzt wurde es dem Knaben klar, daß er diesen Herrn verletzt habe. Er bat flehendlich um Verzeihung, erhielt sie, und wurde ebensoschnell, wie er nach Venedig gekommen, in seine Heimath gebracht, und alles Geschehene dünkte ihm der Traum eines Augenblickes. Nie sah man den Venetianer wieder, und nie fand man den Eingang zu der goldreichen Höhle.




207.
Holzleute in der Schlee.

Bei Teichwolframsdorf erstreckt sich eine große ausgedehnte Waldung, diese heißt die Schlee. Darin lebten vor Zeiten auch Holzmännel und Holzweibel. Ein Pärlein derselben hatte sich von Baumwurzeln ein Häuslein erbaut und darin lebten sie, und lebten auch von Baumwurzeln, wenn sie kein Brod bekamen. Sie verkehrten gern und freundlich mit den Menschen, waren aber klein und häßlich. Noch immer soll es im Walde dergleichen geben. Im Jahr 1830 ging ein junger Mann, Namens Nier, der von der Wilden-Taube war, durch die Schlee. Da begegneten ihm, als bereits die Dämmerung eingebrochen war, auf einem Kreuzweg zwei Holzweibel. Sie sahen grau aus, hatten ganz bemooste Gesichter, alte graue Kleidung, und waren sehr klein. Auf dem Rücken trugen sie Körbe von ungeschälten Weiden. Eins davon strickte an einem grünlichen Strumpfe. Der junge Mann ließ

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)