Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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so Schreckliches gehört habe. Sie behandeln einander freundlicher und menschlicher als Manche, welche Abhandlungen über Tugend und Wohlwollen studiren, und welche jeden Abend das schöne Gebet wiederholen, welches zuerst von den Lippen des göttlichen und sanften Jesus floß.“ – Ich bekenne offen, daß, nachdem ich einige Wochen in diesem Thale der Marquesas-Inseln zugebracht hatte, ich höhere Begriffe von dem menschlichen Charakter bekam, als ich je zuvor gehabt hatte. Aber ach, seit jener Zeit bin ich Einer der Mannschaft eines Kriegsschiffes gewesen und die eingepferchte Schlechtigkeit von fünfhundert Menschen hat fast alle meine frühern Theorien umgestoßen.
Besonders ein bewundernswerther Zug im Charakter der Typies gewann ihnen mehr als irgend etwas Anderes meine Hochachtung: es war die Einigkeit des Gefühls und Urtheils, welche sie bei jeder Gelegenheit zeigten. Es schien unter ihnen kaum irgend eine Meinungsverschiedenheit zu bestehen; sie dachten und handelten Alle gleich. Ich glaube nicht, daß sie im Stande gewesen wären, eine Besprechung behufs der Ausgleichung verschiedener Meinungen nur einen einzigen Abend durchzuführen: es würde an Stoff zum Streit gefehlt haben; und sollten sie eine Zusammenkunft berufen, um die Lage des Stammes zu untersuchen, so würde diese Sitzung merkwürdig kurz ausfallen. Diesen Geist der Einigkeit zeigten sie in jeder Lage des Lebens:
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)