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Walther Kabel: Mexikanische Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 212–216

feindlichen Streifkorps gefangen genommen. Zu seinem Glück war seine Giftmischerei noch nicht aufgedeckt worden, sonst hätten die Texaner ihn wohl kaum nach dem baldigen Friedensschluß freigegeben.

Dabei ist ihm jedoch persönlicher Mut nicht abzusprechen. Als er 1838 die Verteidigung von Veracruz leitete, setzte er sich ohne jede Schonung seiner Person den feindlichen Geschossen aus, trotzdem er dies sehr gut hätte vermeiden können. Von einer Kugel an der Kniescheibe schwer verwundet, ließ er sich das Bein abnehmen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Nur ein Kästchen mit fünfzig Zigaretten stand neben ihm, und diese rauchte er während der Operation bis auf die letzte auf.

Mit den Staatsgeldern wirtschaftete er in unverantwortlicher Weise. Soweit es ohne Aufsehen möglich war, füllte er seine eigenen Taschen mit den Staatseinkünften. Aber auch darin war er groß, sich durch die Verleihung von industriellen Konzessionen und Lieferungen kleine Nebenverdienste zu verschaffen. Karl v. Gagern, ein früherer deutscher Offizier, der in mexikanische Dienste übergetreten war, erzählt hiervon eine humorvolle Geschichte. Drei Bewerber, ein Deutscher, ein Franzose und ein Engländer, hatten sich gemeldet, um von Santa Anna die Ermächtigung zur Ausbeutung einer Mine zu erhalten. Der Reihe nach erbaten und erlangten sie eine Privataudienz bei dem Staatsoberhaupt. Der erste versprach ihm, im Falle, daß er bevorzugt werden sollte, fünf Prozent vom Reinertrage, der zweite eine runde Summe von hunderttausend Pesos, zahlbar nach Erteilung der Konzession, und der Engländer machte keinerlei Versprechungen. Als er aber das Zimmer verlassen hatte, sah Santa Anna ein stattliches Paket Banknoten auf dem Tische liegen. Sofort ließ er den Engländer durch einen Adjutanten zurückrufen.

„Sie haben hier Geld vergessen,“ sagte er.

„Ich?“ erwiderte mit gutgespielter Verwunderung der Engländer. „Unmöglich – ich hatte gar keines bei mir.“

„Aber diese Banknoten?“

„Sie müssen Ihnen gehören, Herr Präsident. Halten

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Walther Kabel: Mexikanische Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 212–216. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mexikanische_Pr%C3%A4sidenten.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)