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Walther Kabel: Mexikanische Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 212–216

mit blutigen Buchstaben in das Buch der Weltgeschichte eingetragen hat. Bevor Juarez zum Präsidenten gewählt wurde, bekleidete er den Posten eines Finanzministers. Wenn er als solcher auch nie in seine eigene Tasche gewirtschaftet hat, so zeigte er doch eine unglaubliche Gewissenlosigkeit bei dem Ersinnen von Mitteln und Wegen, um die Staatskassen zu füllen. Daß er Ausländern „gespickte“, das heißt wertlose Gold- und Silberminen, in deren oberste Erdschichten Gold- und Silberstücke von verlockender Größe vorher eingegraben worden waren, als großartige Kapitalanlagen empfahl und teuer verkaufte und nach berühmten europäischen Mustern die Gold- und Silbermünzen durch Beifügung unedlen Metalles um die Hälfte ihres Wertes verschlechterte, wurde ihm von seinen eigenen Landsleuten nicht weiter verübelt. Dabei besaß Juarez jedoch ein außergewöhnliches staatsmännisches Talent, verbunden mit größter Schlauheit und Rücksichtslosigkeit, Eigenschaften, die er allerdings zumeist nur zum Besten seines Vaterlandes, nie zu seinem eigenen Wohle, ausnützte. Und dieser Umstand bildet in seinem Charakterbilde, das durch die Unterzeichnung des Todesurteils gegen den so hochgesinnten österreichischen Kaisersohn für alle Zeiten getrübt ist, einen wenigstens etwas versöhnenden Lichtpunkt.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Mexikanische Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 212–216. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mexikanische_Pr%C3%A4sidenten.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)