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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

er die Blätter gross in Feder für Zinkographie und Lichtdruck. Ein gütiges Geschick hat ihm sein Augenlicht bis in sein höchstes Alter erhalten; im 82. Jahre vollendete er seine letzte Publikation.

Merian, der berühmte Kupferstecher des 17. Jahrhunderts, war ihm der höchste Lehrmeister. Von ihm hatte er die Art des Federzeichnens erlernt, die Lehre von den drei Gründen, die sich gegen einander abheben müssen, übernommen, bis auf den Wolkenschatten, der auf keinem Vordergrunde fehlen durfte; auch in der Behandlung des Baumschlages und der Luft schloss er sich eng an ihn an – ohne ihn übrigens jemals genau zu kopiren. In seinem Nachlasse befindet sich noch ein Manuskript über «Federzeichnen und Radiren», worin er zum grössten Teile auf Merian zurückgreift, in der Behandlung der Architekturen aber zu einer völlig neuen Art gelangt, wie dies bei der Besprechung der einzelnen Werke nachgewiesen werden soll.

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Ein anderes Gebiet, das er mit Vorliebe pflegte, war das Aquarell. Hier aber kam er nie über die trockene Manier hinaus, wie sie vor 50 Jahren fast allgemein herrschte. Man suchte alles nach bestimmten Regeln zu behandeln und mit Rezepten zu erreichen, was nur mit langem Naturstudium und viel Gefühl gemacht werden kann. Auch hierüber hat Gladbach eine Anleitung verfasst, aus welcher vielleicht einige Notizen von Interesse sind. «Um ein vollkommenes, harmonisches Aquarell auszuführen, sieht man vorerst von allen Lokalfarben ab, wie wenn die ganze Landschaft, mit weisser Kalkfarbe angestrichen, gleichsam im Negligé wäre, und behandelt zuerst die Schatten nach der Luftperspektive: im Hintergrund mit Kobalt, im Mittelgrund mit Indigo und im Vordergrund mit Sepia. – Für die Bemalung der Lichtflächen nimmt man für Himmel und Erde die umgekehrte Reihenfolge der Farbe an, d. h. für die Erde behandelt man die Lichtflächen des Hintergrundes mit Karmin, des Mittelgrundes mit Mennige und des Vordergrundes mit Gelb, während für den Himmel die untersten Schichten mit Gelb, die mittleren mit Mennige und die obersten mit Karmin angelegt werden, an welche sich zuletzt Kobalt anschliesst. Erst wenn diese Töne wie die Regenbogenfarben so harmonisch als möglich mit sehr sanften Uebergängen vollendet sind, übermalt man die ganze Himmelsferne und Mittelgrund mit reinem Kobalt in mehreren aufeinander folgenden Lagen, sowie die obersten Luftschichten mit Berliner Blau. – Die Wolken werden mit sanfter Neutraltinte schattirt, die Lichtflächen mit reiner Mennige belegt» u. s. w.

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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)