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Die interessantesten Belege zu der bei Murrhardt gestandenen römischen Niederlassung liefern aber 3 römische mit Inschrift versehene Denksteine, von denen übrigens nur einer noch vorhanden und seit vielen Jahren im K. Antiquarium in Stuttgart aufbewahrt ist; dieser Stein wurde in der oberen Vorstadt beim Ausgraben des Mühlbachs gefunden, hernach vom Müller in sein Haus eingemauert, im Jahr 1675 wieder herausgenommen und an die alte Abtei versetzt und kam später, wann ist nicht bekannt, in das K. Antiquarium. Von den zwei übrigen Denksteinen sind nur noch die Inschriften in Abschrift vorhanden; der eine wurde zur Zeit Abts Johann Schradin, welcher ums Jahr 1500 dem Kloster vorstand, im See hinter der alten Abtei gefunden, der andere war noch zu Sattlers Zeiten an der Walderichskapelle befindlich, und ist später zerschlagen worden.

Aus den Inschriften erfahren wir, daß in Murrhardt ein dem Sonnengott Mithras geweihter Tempel stand, welcher durch den Obersten der 24. Kohorte der freiwilligen römischen Bürger, Sextus Julius, zu Lösung eines von ihm dieser Gottheit gebrachten Gelübdes, wieder hergestellt wurde. Auch die Inschrift eines weiteren hier gefundenen Denksteins bestätigt, daß hier die 24. römische Kohorte der Freiwilligen Standquartier hatte (s. hierüber den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“ S. 118).

Nachdem nun eine römische Niederlassung bei Murrhardt hinlänglich nachgewiesen ist, bleibt uns nur noch über den Zweck derselben einiges zu bemerken übrig: der römische Grenzwall (Limes transrhenanus) lief 1/4 Stunde östlich von Murrhardt von Köchersberg herunter auf den Linders quer über das Murrthal und zwar gerade zwischen der Lutzensägmühle und der obern Schafscheuer hindurch (s. hierüber den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“ S. 116.)

Wir haben es demnach hier mit einer namhaften römischen Grenzgarnisonsstadt zu thun, die nicht zunächst an dem Limes, sondern 1/4 Stunde im Rücken desselben auf der sog. Bürg bei Murrhardt angelegt wurde, weil hier an einer sehr anmuthigen, fruchtbaren, wasserreichen Stelle, an der mehrere Thäler zusammentreffen, die Anlage einer Niederlassung schon in bürgerlicher, besonders aber in militärischer Beziehung gebotener war, als an dem Punkte, an welchem der Limes das dort noch schmale Murrthal überschreitet.

Der nordöstlich von Murrhardt sich erhebende Berg, auf welchem der Sage nach die Wolkenburg gestanden haben soll, und die Verschanzung auf dem Linders, sind zwei gegenüber liegende Punkte, die nicht nur Murrhardt selbst, sondern hauptsächlich den Zutritt von dem Siegelsbachthal her vertheidigten. Möglich, daß diese festen Punkte, sowie die außerhalb des römischen Grenzwalls eine Viertel-Stunde

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/238&oldid=- (Version vom 1.8.2018)