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Seite:Otto Herodes.djvu/025

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des über H. Erzählten. Die Darstellung des bellum darf jedoch auf keinen Fall direkt auf Nikolaos zurückgeführt werden. Im bellum tritt uns nämlich anders als in den antiquitates ein einheitliches Bild des Königs entgegen; auch die gewählte Darstellungsform – streng sachlich und nicht chronologisch – spricht für diese Einheitlichkeit. Das Ganze hat nun zwar eine enkomiastische Färbung, aber es ist doch weit von einem ἐγκώμιον entfernt (Destinon a. a. O. 101 hebt fälschlich nur das Positive hervor); denn es finden sich nicht nur einzelne das Verhalten des Königs scharf verurteilende Ausdrücke (I 493 ist von seiner ἀνομία die Rede, s. ferner z. B. die §§ 452 und 533), sondern es werden auch alle seine Untaten von der Tötung des Hyrkanos und des jungen Aristobulos an ohne weiteres erwähnt und durchaus nicht unbedingt entschuldigt. Eine derartige, in keiner Hinsicht geschlossen günstige Darstellung mit der des Hofhistoriographen Nikolaos zu identifizieren, wie dies auch noch Schürer I³ 84 tut, erscheint mir an und für sich nicht wahrscheinlich und ist auch unvereinbar mit den Angaben bei Josephus über die Stellung des Nikolaos zu den Untaten des Königs (ant. Iud. XVI 183ff. und s. S. 4*. Außerdem führt uns aber auch die im bellum vorliegende Darstellung nach sachlichen Gesichtspunkten von Nikolaos ab; eine solche konnte selbstverständlich erst nach dem Tode des Königs komponiert werden, während Nikolaos in seiner Weltgeschichte auch das Leben des H. wenigstens zum größten Teile noch bei dessen Lebzeiten behandelt hat, und zwar dem Charakter seines Werkes entsprechend in im wesentlichen chronologischer Abfolge[1].

In dem bellum, [RE:8] dessen H.-Bericht in letzter Linie allerdings auf das Werk des Nikolaos zurückzuführen ist, kann uns also dieser selbst nicht vorliegen, sondern nur eine immerhin starke Überarbeitung. Daß Josephus selbst diese vorgenommen habe, erscheint jedoch ausgeschlossen. Es würde dies einmal nicht nur seiner ganzen sonstigen Arbeitsweise widerstreiten, sondern auch gerade jener, die wir in dem H.-Abschnitt des bellum beobachten können. Denn hier schließt er sich abgesehen von den nicht nachzuweisenden Selbstzitaten in einem Falle, in dem er auf eine frühere Angabe hinweist, so schematisch an seine Quelle an, daß sein Verweis zwar seiner eigenen früheren Angabe nicht entspricht, wohl aber, wie wir aus den Parallelstellen der antiquitates erkennen können, der Fassung der zugrunde liegenden Quelle (vgl. bell. Iud. I 344 und 240f. mit ant. Iud. XIV 467 und 300; s. Wachsmuth a. a. O. 443, 2). Die Schöpfung des H.-Bildes und der Darstellungsform [10] im bellum durch Josephus selbst würde dann ferner dessen hiervon abweichende Haltung in den antiquitates ganz unverständlich erscheinen lassen; so muß man denn die Überarbeitung des Nikolaos einer Mittelquelle zuweisen[2], die eben kein [RE:9] anderer als der Anonymus sein kann.


  1. Auch auf einige gegen Nikolaos als Quelle stechende Einzelheiten sei hier hingewiesen: auf die Angabe über die Abkunft der Herodeer, die mit derjenigen des Nikolaos in schroffem Widerspruch steht (vgl. Joseph. bell. Iud. I 123 mit ant. Iud. XIV 9), und ferner darauf, daß Nikolaos im bellum anders als in den antiquitates nicht besonders hervortritt; so fehlt z. B. seine große Rede vor Agrippa ganz, sein wichtiges Eintreten in Rom für H. in der Araberaffäre ist auch kaum erwähnt. So etwas darf man aber doch wohl kaum allein auf die kürzere Fassung des bellum zurückführen.
  2. Für die Mittelquelle spricht auch entscheidend die im bellum I 441ff. sich findende Version, daß H. bereits bei seiner Reise zu Antonius im J. 35 oder 34 v. Chr. (s. S. 42f.) den Auftrag zur eventuellen Tötung seiner Gemahlin Mariamme, der dieser dann verraten wird, zurückgelassen habe und sie tatsächlich nach seiner Rückkehr habe hinrichten lassen. In den antiquitates wird dagegen bei der Erzählung der Ereignisse des J. 35/4 v. Chr. zwar der Auftrag, von seinen Folgen aber nicht die Hinrichtung berichtet – übrigens in einer dem bellum gegenüber erweiterten Form (XV 65ff.). In den antiquitates wird vielmehr die Hinrichtung erst in das J. 29 v. Chr. verlegt im Anschluß an die Reise des Königs zu Octavian 30 v. Chr., vor deren Antritt jener noch einmal den Auftrag, Mariamme zu töten, der auch wieder verraten wird, erteilt habe. Destinon a. a. O. 113, Renan V 260, l und Trieber a. a. O. 405ff. haben, zum Teil unabhängig von einander, mit Recht darauf hingewiesen, daß es sich hier um die Verdoppelung desselben Ereignisses handele, und daß man dieses in die J. 30/29 v. Chr. zu setzen habe. Daß nun Nikolaos von Damaskos über die Zeit des Todes der Mariamme etwas Falsches berichtet habe, darf man als ausgeschlossen bezeichnen, und ferner ist es mir sehr unwahrscheinlich, daß Josephus das erstemal auf Grund des Werkes des Nikolaos eine zeitlich falsche Ansetzung geboten habe, um diese später, als er aus demselben Werke den Fehler erkannte, durch Dublierung des Ereignisses und Erfindung einer Versöhnung der beiden Gatten zu rektifizieren; in diesem Falle hätte doch die andere richtige Datierung eine einfache und nicht besonders auffällige Lösung bedeutet. Vollverständlich wird dagegen das Verhalten des Josephus in den antiquitates, wenn wir annehmen, daß der Anonymus sich die falsche Datierung hat zu schulden kommen lassen, was bei seiner Umbiegung der chronologischen Darstellung des Nikolaos in die sachliche sehr leicht vorkommen konnte (den Anlaß zu der falschen Datierung hat vielleicht die Nennung eines sonst nicht näher bekannten Joseph als Wächter der Mariamme neben Sohaemus zur Zeit der Fahrt zu Octavian gegeben [ant. Iud. XV 185]; auch bei der Reise zu Antonius ist sie einem Joseph, dem Oheim des Königs, zur Obhut anvertraut worden, und der Verfasser mag dann beide Joseph zusammengeworfen haben). Es hätten eben dann Josephus, als er in den antiquitates noch andere Quellen neben dem Anonymus heranzog, zwei verschiedene Berichte über den Tod der Mariamme vorgelegen. Josephus hat sich nun keine der beiden Darstellungen entgehen lassen wollen und hat deshalb der ersten den tötlichen Ausgang genommen. Der dürftige Abschluß, der statt dessen bei Josephus (XV 87) steht, H. hätte sein Weib fast selbst getötet und habe seine Schwiegermutter Alexandra ins Gefängnis geworfen, ist von WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Josephus selbst erfunden; die Erfindung ad hoc ergibt sich sehr deutlich daraus, daß im folgenden Alexandra stets als auf freiem Fuße befindlich erscheint und H. durchaus nicht als vollständig mit ihr zerfallen geschildert wird. Es besteht denn auch keine innere Verknüpfung zwischen den beiden Erzählungen bei Josephus, sondern in der zweiten wird nur ganz äußerlich durch ein Nebensätzchen auf die erste zurückgegriffen (ant. Iud XV 204).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/025&oldid=- (Version vom 1.8.2018)