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Geschichte eingeführt habe. In einer legendarischen, von Seiten der Essener ausgehenden Erzählung (ant. Iud. XV 373ff.) wird dann zwar an den Gang des jungen H. zur Schule angeknüpft, aber man darf hieraus natürlich nicht, wie Keim 28 dies tut, irgendwelche speziellen Folgerungen über die Erziehung des Knaben ableiten. Die vertraute Stellung, die sein Vater bei Hyrkanos II. einnahm, wird H. sehr früh mit dem Hofe in Verbindung gebracht haben. Er ist hier wohl zusammen mit anderen Söhnen der Aristokratie erzogen worden (bell. Iud. I 215; ant. Iud. XIV 183. XV 18). Der Knabe hat es allem Anschein nach schon früh verstanden, die Blicke auf sich zu lenken (s. die soeben angeführte Erzählung) und hat sich im besondern das Wohlwollen des Hyrkanos errungen, ist dessen erklärter Liebling geworden (bell. Iud. I 211. 215; ant. Iud. XIV 170. 183).

b) Der Aufstieg zur Macht (47–41 v. Chr.).

Antipatros hat es als der eigentliche Regent des jüdischen Staates alsdann vermocht, dem Sohne schon als jungem Manne von etwa 25 Jahren zu einer wichtigen Stellung zu verhelfen; er hat ihn im J. 47 v. Chr. zum Statthalter (στρατηγός) von Galiläa ernannt (bell. Iud. I 203; ant. Iud. XIV 158; bezüglich der Altersangabe s. vorher). Man darf wohl annehmen, daß Antipatros das wichtige Amt seinem Sohne nicht übertragen haben würde, wenn dieser sich nicht bereits unter ihm bewährt hätte. Das J. 47 v. Chr. hat den jungen H. auch zu einem Gliede des die Welt beherrschenden Volkes gemacht, da damals sein Vater von C. Iulius Caesar für seine Verdienste um ihn und für seinen engen Anschluß an Rom das römische Bürgerrecht erhielt (bell. Iud. I 194; ant. Iud. XIV 137. XVI 53; s. ferner die seit der Zeit des 1. Agrippa bei Mitgliedern des herodeischen Hauses begegnende Iulierbezeichnung, Schürer I³ 561, 41).

In Galiläa ist H. im Interesse des augenblicklichen Regiments sofort energisch eingeschritten. Das Land wurde nämlich in seinen an die römische Provinz Syrien angrenzenden Teilen von einem ,Räuber‘hauptmann Ezechias und seiner Schar unsicher gemacht (Joseph. bell. Iud. I 204; ant. Iud. XIV 159). H. nahm ihn mit vielen seiner Genossen gefangen und ließ sie hinrichten. Diese Tat hat bemerkenswerterweise nicht bei den galiläischen Juden, wohl aber bei den Provinzialen und dem römischen Statthalter in Syrien besondere Dankbarkeit ausgelöst (bell. Iud. I 205; ant. Iud. XIV 160) und des weiteren ein Vorgehen des jüdischen Synedrions in Jerusalem gegen H. zur Folge gehabt. Die Sadducäer im Synedrion (s. hierzu Wellhausen Pharisäer u. Sadducäer 103ff.) haben nämlich Hyrkanos bestimmt, H., da er durch die eigenmächtige Hinrichtung seine Kompetenz überschritten habe, zur Verantwortung zu ziehen[1]. [20] [RE:18] Das Verhalten all dieser Faktoren wäre nun nicht recht verständlich, wenn es sich bei den Hingerichteten um gewöhnliche Räuber handelte; vor allem würden es dann die Sadducäer bei der allmächtigen Stellung des Antipatros kaum gewagt haben, in dieser schroffen Weise gegen den Sohn vorzugehen und sich so selbst zu gefährden. Sieht man dagegen in den ,Räubern‘ des Josephus einen Rest aufständischer Juden, welche sich dereinst dem durch Pompeius entthronten Bruder des Hyrkanos, Aristobulos II., und seinen Söhnen bei ihren Putschen gegen die augenblicklichen Herrscher und deren Beschützer Rom angeschlossen hatten und noch unbezwungen in Galiläa hausten (so schon richtig Grätz III 1⁵, 178f.; Wellhausen 311; zu der ,Räuber‘bezeichnung bei Josephus s. S. 30), so erklärt sich alles aufs beste, im besonderen auch das Einschreiten der Sadducäer: diese fühlten sich ja mit den Hingerichteten in der Abneigung gegen Rom und die augenblicklichen Herrscher verbunden, und ihnen muß es außerordentlich erwünscht gewesen sein, einen empfindlichen Schlag gegen die Antipatriden fahren zu können, ohne sich zugleich mit dem Odium zu belasten, sich gemeiner Verbrecher angenommen zu haben (auch der Sohn des Ezechias, Iudas, begegnet uns später, 4 v. Chr., als Freischarenführer gegen die Herodeer und Rom, s. bell. Iud. II 56; ant. Iud. XVII 271f.). H. hat sich damals dem jüdischen Senat in Jerusalem gestellt (bell. Iud. I 210ff.; ant. Iud. XIV 169ff.), freilich erst, nachdem er die nötigen Sicherheitsmaßregeln getroffen hatte und in Gewißheit des Schutzes Roms als römischer Bürger. Als trotzdem eine Verurteilung bevorzustehen schien – die Einzelheiten über die Synedrionssitzung sind allerdings wohl pharisäische Erfindung, s. auch das Schwanken der Namen ant. Iud. XIV 172. XV 4 –, hat sich H., zumal der schwache Hyrkanos nicht gewillt war, offen für ihn einzutreten, der Urteilsfällung entzogen.

Seine Zuflucht hat H. bei dem römischen Statthalter in Syrien Sex. Caesar gefunden; er ist zugleich in römische Dienste getreten und hat eine Stelle in der syrischen Provinzialverwaltung erhalten. (Ebenso wie Mommsen R. G. V 500, 1 [s. auch Raillard Die Anordnungen des M. Antonius im Orient, Zürich 1894, 43] stehe ich der speziellen Angabe der Ernennung des H. zum στρατηγὸς Κοίλης Συρίας καὶ Σαμαρείας [bell. Iud. I 213; ant. Iud. XIV 180, hier fehlt Samaria] als einer Übertreibung zweifelnd gegenüber; bei dem Titel στρατηγός muß man die alten στρατηγοί zum Vergleich heranziehen, die in diesen Gegenden von Ptolemäern und Seleukiden eingesetzt worden sind. Irgendwelche Verwaltungskompetenzen für das damals nicht zum jüdischen Gemeinwesen gehörende Samaria sind H. allerdings sicher verliehen worden, s. bell. Iud. I 229, auch z. B. 302; ant. Iud. XIV 284; auch z. B. 411; sehr wichtig noch Appian. bell. civ. V 75. Koilesyrien ist alsdann bei Josephus ein ziemlich vager Begriff;


  1. Bell. Iud. I 207ff.; ant. Iud. XIV 163ff. Es treten uns hier zwei Versionen entgegen, von denen die eine die Stellung des Hyrkanos zu H. weit weniger freundlich als die andere schildert (s. bes. bell. Iud. I 207f. gegenüber § 211, vgl. ferner bell. Iud. I 211f. mit ant. Iud. XIV 177–179). Mit der das Verhältnis freundlich schildernden Version stimmen übrigens die einschlägigen Angaben über diesen Vorfall in der Mischna, Sanhedrin 19 a überein, wo allerdings andere Personen eingesetzt sind (Zeit des Alexandros Jannaeus); s. jedoch Derenbourg a. a. O. 146ff.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/030&oldid=- (Version vom 9.12.2016)