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(vor allem wird man sich natürlich der ptolemäischen Kleruchen erinnern, wenn auch deren Charakter noch umstritten ist, s. Wilcken Papyruskunde I 1, 280f. 384f. und anders Lesquier Les instit. milit. de l’Égypte 30ff., deren Auffassungen sich aber sehr wohl vereinen lassen. Es ist ferner zu beachten, daß auch in der jüdischen Literatur der hellenistischen Zeit die κλῆροι der Soldaten eine Rolle spielen [s. etwa 3. Esra 4, 56; Esther 9, 26]; sie kann nun sehr wohl hierbei einheimische Verhältnisse vor Augen gehabt haben. Willrich Judaika 25 scheint mir nicht glücklich zu urteilen).

Neben dem Heer hat H. auch über eine Flotte, die wohl als sein eigenstes Werk anzusehen ist, verfügt (ant. Iud. XVI 21).

Die Unumschränktheit der Gerichtshoheit des Königs tritt uns nicht nur bei dem Erlaß neuer Strafgesetze (ant. Iud. XVI 1ff.), sondern vor allem bei den vielen von ihm gefällten Todesurteilen (bis kurz vor seinem Tode, bell. Iud. I 655; ant. Iud. XVII 167) entgegen. Sie wird denn auch ausdrücklich bei den Verhandlungen vor dem Kaiser gegen die Mariammesöhne hervorgehoben (ant. Iud. XVI 106), d. h. gerade bei einer Gelegenheit, die an und für sich Zweifel hinsichtlich der Unbeschränktheit aufkommen lassen könnte. Die Art des Vorgehens des Königs, sowohl gegen die Mariammesöhne, als später gegen Antipatros, das Aussetzen oder Aufschieben des eigenen Urteils, bis der Kaiser gesprochen und die Vollziehung des Urteils gestattet hat (s. etwa bell. Iud. I 452ff. 535ff. 640. 661; ant. Iud. XVI 90ff. 332ff. 356ff. XVII 133. 182f.), darf jedoch nicht von dem Gesichtspunkt der Gerichtshoheit beurteilt werden, vielmehr muß man die völkerrechtliche Seite ins Auge fassen. Diese Urteile gingen nämlich auch Rom direkt an, da es sich bei den Angeklagten um die von ihm gebilligten designierten Herrschaftsnachfolger handelte (s. S. 65f.); allgemeine völkerrechtliche Rücksichten haben also hier die Aktionsfähigkeit des H. beeinträchtigt.

Die unbeschränkte Finanzhoheit des Königs ergibt sich alsdann einmal aus seinem völlig freien Schalten mit den Einnahmen seines Landes, die er nach eigenem Belieben durch einmalige oder auch sogar dauernde Steuererlasse vermindert (bell. Iud. I 428; ant. Iud. XV 365. XVI 64. XVII 25) oder durch neu aufgelegte Abgaben erhöht hat (ant. Iud. XVII 205), die er [RE:59] jedenfalls ganz nach seinem Gutdünken verwendet hat. Die Finanzhoheit zeigt sich aber weiterhin auch in seinem unbeschränkten Verfügen über den Grund und Boden des Staates. Hat er doch diesen nicht nur in kleineren Parzellen an Militärkolonisten verliehen, sondern auch große Landstriche mit bedeutenden Einnahmen und ganze Ortschaften an die ihm nahestehenden Großen seines Reiches, seinen Sohn Antipatros, an den Reichskanzler Ptolemaios u. a., vergeben (bell. Iud. I 524; ant. Iud. XVI 250. XVII 190. 289 [bell. Iud. II 69]). Da zu diesen Vergebungen an Private ganze Ortschaften gehört haben, so ist es unwahrscheinlich, daß es sich hier um Geschenke zu freiem Besitz gehandelt hat[1], sondern man dürfte in den Übertragungen [62] die Begründung von Lehensgütern zu sehen haben (daß die Zuweisung von Einnahmen, nicht die Schaffung von Eigentum bei diesen Landvergebungen im Vordergrund steht, ergibt wohl auch eine Vergleichung von ant. Iud. XVI 250 mit XVII 96 bezw. bell. Iud. I 625 [s. hierzu S. 91], wo an der zweiten Stelle überhaupt nur von den Einnahmen des Antipatros, nicht von seinem Landbesitz die Rede ist). Es begegnet uns also im Reiche des H. die ptolemäische γῆ ἐν δωρεᾷ: auch sie hat ganze Dörfer umfaßt und ist an die Großen des Reiches vergeben worden (s. Wilcken Papyruskunde I 1, 284. Zu der Landzuweisung an Antipatros möchte ich auf die γῆ ἐν προσόδῳ τῶν τέκνων τοῦ βασιλέως im ptolemäischen Ägypten verweisen, Pap. Petr. III 97, 10. Vgl. auch die allgemeinen Ausführungen Rostowzews a. a. O. 248ff. über die Landvergebungen in den hellenistischen Reichen).

Schließlich hat dem König auch die Amtshoheit zugestanden. Entsprechend den Verhältnissen im Heere begegnen uns auch in der ganzen Zivilverwaltung nur die eigenen Angestellten des Königs. So hören wir von Ernennungen der Provinzial- und Distriktsstatthalter durch den König (ἄρχων von Idumäa: ant. Iud. XV 254; (μεριδάρχης: ant. Iud. XV 216; zu dem letzteren Titel vgl. I. Makk. 10, 60ff.). Andere Spitzen der Provinzialverwaltung, die auch militärische Funktionen besessen zu haben scheinen – sie begegnen uns in den östlichen Grenzprovinzen –, werden ausdrücklich als στρατηγοὶ τοῦ βασιλέως bezeichnet (ant. Iud. XVI 130. 274. S. für diese Erklärung von στρατηγός die Anfangsstellung, die H. bekleidet hat – er war στρατηγός von Galiläa [vgl. S. 19] – und die Zusammenstellungen in meinem Art. Herodes Nr. 22 in Pauly-Wissowas Realencykl. Suppl.-II S. 167; man erinnere sich der στρατηγοί der Seleukiden und der Ptolemäer in ihren auswärtigen Provinzen, s. z. B. Cohen De magistr. Aegypt extern. Lagid. regni provinc. admin. passim). Denselben Titel hat dann wohl auch der Vertreter der königlichen Gewalt in den Städten geführt (belegt ist uns für Jerusalem ein solcher στρατηγός, den wir hier die königlichen Interessen wahrnehmen sehen, und von dem immer nur als von dem στρατηγὸς τοῦ βασιλέως die Rede ist, so daß wir in ihm kaum irgend einen beliebigen Heerführer sehen dürfen; s. bell.

[RE:60] Iud. I 652. II 8; ant. Iud. XVII 156. 209f. Da nun für die Zeit Agrippas I. ein στρατηγὸς τῆς πόλεως für Kaisareia belegt [ant. Iud. XIX 333] und diese Strategeninstitution für die hellenistischen Königreiche allenthalben bezeugt ist [vgl. Schubart Klio X 68ff.], so scheint mir die Deutung trotz des bei Josephus fehlenden τῆς πόλεως sicher; s. bezüglich des nicht genauen Titels auch S. 62 *). Beachte auch den στρατηγός-Titel des Phasael, bell. Iud. I 203; ant. Iud. XIV 258). Für die Finanzverwaltung zeigt uns dann die Weigerung der διοικηταί nach dem Tode des H. gegenüber den Befehlen eines römischen Prokurators, daß auch sie königliche


  1. Die Bezeichnung des Dorfes des Ptolemaios als sein κτῆμα erscheint mir gegenüber der allgemeinen Erwägung nicht durchschlagend; die WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt κώμη des Ptolemaios erinnert übrigens lebhaft an die syrische κώμη Βαιτοκαικηνή eines Demetrios bei Dittenberger [Syll.] I 262, 6, die man auch nicht als freien Besitz zu fassen hat.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/051&oldid=- (Version vom 5.11.2022)