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[RE:66]

Außer beim Kaiserkult hat der König auch sonst alle Gelegenheiten benutzt, um seine Ergebenheit gegen Rom und dessen Herrscher nach [RE:67] außen deutlich hervortreten zu lassen (s. auch S. 68 Anm.). Im J. 25 v. Chr.[1] ist sein Land durch [70] eine furchtbare Dürre, in deren Gefolge Hungersnot und Seuchen auftraten (ant. Iud. XV 299ff.), schrecklich mitgenommen worden; der König hat aber auch in der Zeit der Not nicht daran gedacht, sich seiner Pflicht, Rom im Falle eines Krieges durch Stellung von Hilfstruppen zu unterstützen, zu entziehen, sondern zu dem in den J. 25 und 24 v. Chr. stattfindenden Feldzuge des Aelius Gallus gegen das südliche Arabien ein Hilfskorps von 500 Mann seiner Gardetruppen gestellt (ant. Iud. XV 317. Strab. XVI p. 780; vgl. Schürer I³ 367, 9). Direkte Vorteile konnte er von diesem sich weit von dem eigenen Gebiet [RE:68] abspielenden Kriege nicht erhoffen – er verlief übrigens erfolglos –, aber die Hilfe, die H. in eigener schwierigster Situation leistete, mußte die leitenden römischen Kreise weiter für ihn annehmen.

Nicht lange darauf, wenn auch wohl erst im J. 22 v. Chr.[2], hat H. die beiden ältesten


  1. Die Zeitbestimmung ist leider nicht so eindeutig, wie allgemein angenommen wird. Setzt man nämlich, was dem Wortlaut des Joseph. ant. Iud. XV 299f. entsprechen würde, die Dürre, welche alle anderen Übel im Gefolge hat, in das 13. Jahr des H., also in die Zeit vom 1. Nisan 25–1. Nisan 24 v. Chr., dann kann die Hungersnot nicht schon im J. 25 v. Chr. in Palästina ausgebrochen sein. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Denn die Ernte in Palästina hat damals bereits im Nisan begonnen (s. z. B. Vogelstein Die Landwirtschaft in der Mišnah, Bresl. 1894, 57ff.). Der Einfluß der Dürre des 13. Jahres kann sich also nicht mehr auf die Ernte desselben Jahres erstreckt haben, sondern nur auf die des folgenden; die Dürre wäre demnach in die Regenzeit des 13. Jahres, d. h. in die Wintermonate 25/4 v. Chr. zu setzen, und die Seuchen und die Hungersnot könnten erst im J. 24 v. Chr. zum Ausbruch gekommen sein. Nun hat der durch die Dürre hervorgerufene Notstand noch bis ins folgende Jahr – das wäre das J. 23 v. Chr. – angehalten (Joseph. ant. Iud. XV 302. 310. Die auch von Mommsen [Res gestae div. Aug.² 106f.] vertretene Auffassung, daß auch noch die Ernte dieses folgenden Jahres nicht geraten sei, beruht jedoch auf irriger Interpretation der Worte ‚μηδὲ τὸ δεύτερον ἀνείσης τῆς γῆς‘ in § 302; denn sie dürfen sowohl dem Wortlaute als auch dem Zusammenhang nach nur auf die zweite Ernte desselben Jahres, die auf einem Teil der Felder sonst regelmäßig erzielt wurde [Vogelstein a. a. O. 18. 40. 58], bezogen werden). Das J. 23 v. Chr. ist als Notstandsjahr aber ganz unwahrscheinlich, da der Fortgang der Erzählung des Josephus für dieses bereits die Überwindung der Folgen der Dürre voraussetzt s. S. 71 *). Wir müssen also als die beiden eigentlichen Notstandsjahre die J. 25 und 24 v. Chr. ansetzen, d. h. die Dürre ist bereits im Winter 26/5 v. Chr. eingetreten; Josephus hat eben die Ursache der πάθη und diese selbst ungenau in dasselbe Jahr verlegt. Die Festlegung des ersten Notstandsjahres auf das J. 25 v. Chr. und die obige Ansetzung der zweiten auch nicht erzielten Ernte in dasselbe Jahr ergeben übrigens mit Sicherheit, daß der von H. um Hilfe in der Not angegangene ägyptische Praefect Petronius bereits im J. 25 v. Chr. amtiert haben muß, und sichern somit die Ausführungen Majuris Saggi di stor. ant. e di archeol. off. a. G. Beloch 321ff. (spez. 327ff.) über die Zeit des Amtsantrittes des Petronius als Nachfolger des Aelius Gallus.
  2. Für gewöhnlich wird allerdings das J. 23 v. Chr. angenommen, weil die Ankunft der Söhne in Rom in dieselbe Zeit wie die Schenkung der WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Landschaften Trachonitis usw. falle (ant. Iud. XV 343) und diese nach bell. Iud. I 398 ‚μετὰ τὴν πρώτην ἀκτιάδα‘, die am 2. September 24 v. Chr. ablief, erfolgt sei. Daß man diese chronologische Angabe, wie es geschieht, unbedingt auf das J. 23 v. Chr. beziehen müsse, scheint mir jedoch nicht nötig zu sein. An sich besagt doch eine derartige Datierung nur, daß das betreffende Ereignis in die zweite Aktiade gefallen ist (an deren Ende würde man freilich bei einer solchen Angabe nicht gern denken). Nun versucht Josephus in dem Herodesabschnitt der antiquitates im allgemeinen eine chronologische Anordnung zu geben, wenn er auch mitunter diese durch sachlich geordnete Abschnitte unterbricht, s. etwa S. 11*), 46 Anm., 80 Anm. und 125*). Vor seiner Erzählung der Reise der Söhne und der Schenkung bietet er aber den Bericht über die Gründung von Kaisareia, welche ins J. 22 v. Chr. fällt; s. Schürer I³ 368 und 372. Die Ausführungen Drüners a. a. O. 61f., welcher die Gründung der Stadt bereits ins J. 25 v. Chr. setzt, sind unhaltbar. Einmal interpretiert er die in Frage kommenden Stellen: ant. Iud. XV 341 u. XVI 136 falsch (die Worte XV 341 ‚ἡ μὲν δὴ πόλις οὕτως ἐξετελέσθη δωδεκαετεῖ χρόνῳ‘ können auch schon wegen des ἐξετελέσθη nicht als Angabe des Zeitpunkts der Gründung und zwar des 12. Regierungsjahres des Königs gefaßt werden; ebenso ungehörig ist es, dessen Erwähnung in XVI 136 anzunehmen, zumal in dieser Stelle bei der Nennung des 28. Regierungsjahres ausdrücklich τῆς ἀρχῆς hinzugefügt ist). Aber auch der Zusammenhang bei Josephus in ant. Iud. XV c. 9 führt nicht wie Drüner will, auf das J. 25 v. Chr., sondern beträchtlich darüber hinaus. Aus diesem Kapitel ergibt sich einmal, daß die durch die Dürre des J. 25 v. Chr. hervorgerufene Not bis in das J. 24 v. Chr. angedauert hat (§ 302. 310 und s. vorher). Es wird ferner in § 318 ausdrücklich vermerkt, daß H. mit Bauten erst wieder begonnen habe, als die durch die Unglücksjahre hervorgerufene Notlage wieder beseitigt war, also keinesfalls vor dem J. 23 v. Chr., und die nun folgenden großen Bauten erscheinen nach der Darstellung bei Josephus auch nicht auf einmal begonnen worden zu sein, sondern, wie an sich wahrscheinlich, nach einander, so daß gerade auch schon durch die Erzählung bei Josephus das J. 22 v. Chr. für den Beginn der Erbauung von Kaisareia nahegelegt wird (die bei den christlichen Chronographen für die Bauten des H., so auch für die Gründung von Kaisareia angegebenen Daten differieren untereinander und sind wertlos). Das c. 9 ist eben einmal wirklich chronologisch aufgebaut, s. schon WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt den Beginn in § 299. Dadurch, daß alsdann der Charakter des ganzen Kapitels auf Nikolaos von Damaskos als Quelle hinweist (nichtnikolaisches Gut findet sich z. B. nur in § 328–330; hier liegt vielmehr der jüdische Anonymus vor, beachte außer der ganzen Tendenz z. B. das ‚ἡμῖν‘ in § 329 und s. auch S. 80 Anm.), erfährt auch die Annahme der streng chronologischen Darstellungsform des Nikolaos eine weitere Stütze. Das c. 10, zu dessen Beginn die Reise der Söhne und die Schenkung erzählt wird, trägt nun (bis zum vierten Abschnitt, d. h. bis auf die §§ 365ff., die sowohl infolge der ungünstigen Beurteilung des Königs, als durch die sachlich geordnete Darstellungsweise ganz herausfallen) den gleichen Charakter wie c. 9, sowohl bezüglich der chronologischen Darstellungsform, als auch in der sachlichen Beurteilung des Königs; wir dürfen also hier die Weiterbenützung des Nikolaos annehmen, so daß c. 9 und 10 sich quellenkritisch aufs engste aneinanderschließen. Insofern darf man die Anfangsworte von c. 10 ,ἐπὶ τοιούτοις ὤν‘ mit denen die Reise der Herodessöhne eingeleitet und durch sie in dieselbe Zeit wie die Gründung von Kaisareia gesetzt wird, nicht nur als eine möglicherweise inkorrekte Übergangsformel, wie uns solche sonst bei Josephus öfters begegnen, ansehen, sondern als bewußte Verbindung und Gleichsetzung der beiden Ereignisse, d. h. die Reise darf nicht früher als 22 v. Chr. angesetzt werden.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/055&oldid=- (Version vom 5.11.2022)