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Seite:Otto Herodes.djvu/079

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wichtigen Entscheidungen seine φίλοι und συγγενεῖς, überhaupt die ihm Nächststehenden, zur Beratung herangezogen, einen σύλλογος oder συνέδριον berufen hat (die Belege s. S. 86*), so haben wir hierin nur einen unter dem Vorsitz des Königs tagenden Staatsrat zu sehen. Daß dessen Gutachten mehr als beratenden Charakter gehabt hat, daß er in bestimmten Fällen gehört werden mußte, dafür liegen keine Anzeichen vor; dies würde auch dem Charakter des Staatsrats widersprechen, wie er uns sonst in den hellenistischen Reichen entgegentritt (Beloch Griech. Gesch. III 1, 389). Daß er diesem ganz gleichartig war, ergibt sich auch aus seiner gelegentlichen Verwendung als Gerichtshof in Staatsprozessen, wie in dem gegen Mariamme I. und den ältesten H.-Sohn Antipatros (ant. Iud. XV 229, und vgl. damit etwa Polyb. V 16, 5ff. und VIII 23, 1ff, wo Parallelvorgänge vom makedonischen und seleukidischen Hof geschildert werden; bell. Iud. I 620ff.; ant. Iud. XVII 93ff.; Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG III 352]).

Ebensowenig wie in diesem Staatsrat darf man in dem jüdischen Synedrion, dem Senat von Jerusalem, dessen Kompetenz als Gerichts- und Verwaltungsbehörde sich aber über das ganze jüdische Land erstreckte[1], eine die [RE:114] königliche Macht irgendwie einschränkende Institution sehen. Es war allerdings lange Zeit die oberste jüdische Behörde gewesen, deren Anteil am Regiment gerade für die hasmonäische Zeit klar bezeugt ist; wird es doch auf den hasmonäischen Münzen seit Johannes Hyrkanos neben dem Herrscher genannt, was bei einer rein beratenden Behörde ausgeschlossen erscheint (die Deutung der Münzen richtig bei Wellhausen 281, 2 gegenüber Schürer I³ 269. Willrichs Judaika 155, 1 Angaben über die Münzen sind falsch, vgl. Madden a. a. O. 87–101). Dagegen kann von einer Mitregierung des Synedrions unter H. keine Rede sein. Die Mitnennung auf den Münzen findet sich nicht mehr, und auch sonst liegt uns hierfür nicht das geringste Anzeichen vor; die Ernennung des damaligen Synedrialpräsidenten, des Hohenpriesters (s. Schürer II⁴ 254), durch den König spricht sogar direkt dagegen. Selbst nicht als beratendes Organ dürfte es dem König gedient haben, da ja diese Stelle sein Staatsrat einnahm. (Matth. II 4 darf man hierfür kaum verwerten, sondern nur als ein Anzeichen für das Fortbestehen des Synedrions unter H.) Von H. ist bei seinem Regierungsantritt eine größere Anzahl von Mitgliedern hingerichtet worden (s. S. 38), und er scheint es verstanden zu haben, sie durch gefügige Elemente zu ersetzen. Denn das einzige Mal, wo uns das [118] Synedrion mit Sicherheit während der Regierung des H. amtierend entgegentritt, bei der Anklage gegen Hyrkanos II. im J. 30 v. Chr. (s. S. 52), scheint es dem König irgend welche Opposition nicht gemacht zu haben. Für die damalige Stellung des Senats ist es auch sehr bezeichnend, daß nicht dieser, sondern allem Anschein nach allein der König das Urteil in dem Prozeß des Hyrkanos gefällt hat; vor dem Senat hat nur die Verhandlung stattgefunden (ant. Iud. XV 173; vgl. Wellhausen 321, 1). H. hat ihn offenbar als Forum benützt, um zumal in jener kritischen Zeit seinem Vorgehen in den Augen des Volkes ein besseres Relief zu verleihen; er rechnet also noch mit ihm als einer bedeutsamen Größe. Es mag ja auch seine Kompetenz selbst in herodianischer Zeit die der obersten Gerichts- und Verwaltungsbehörde von Jerusalem überschritten haben – in der Zeit nach H.s Tode ist uns dies wieder direkt bezeugt –, aber man wird wohl auch hier an eine starke Beschränkung durch den König denken müssen. Das Synedrion war eben damals eine Behörde und nicht eine mitregierende Körperschaft.

Das jüdische Volk darf man schließlich erst recht nicht als einen Faktor ansehen, dem unter H. rechtlich irgend ein Einfluß auf die Staatsleitung zugestanden hat. Unter den Hasmonäern hat freilich anfangs die jüdische Volksversammlung, d. h. wohl praktisch im wesentlichen der δῆμος von Jerusalem eine Rolle neben dem Leiter der Gemeinde gespielt (s. [RE:115] z. B. die Belege hierfür bei Wellhausen 281,1), und auch unter H. erwähnt Josephus mehrmals die Einberufung von Volksversammlungen im Tempel von Jerusalem (s. die Stellen ant. Iud. XVI 132; auch XVII 200; bell. Iud. II 1, die uns den Versammlungsort kennen lehren. Es ist beachtenswert, daß Josephus das einemal die Teilnahme von vielen Leuten aus der χώρα hervorhebt [ant. Iud. XVI 62]; zumeist dürften aber doch wohl im wesentlichen nur die Jerusalemiten sich zu ihnen eingefunden haben). Wir hören des öfteren von Reden, die H. an das versammelte Volk gehalten hat: um es zu ermutigen in den Zeiten der Bedrängnis des Araberkrieges von 31 v. Chr. (bell. Iud. I 372ff.; ant. Iud. XVI 126ff.), um ihm die wichtige Mitteilung von dem beschlossenen Tempelneubau zu machen (ant. Iud. XV 380ff.), um es von dem Erfolg seines Zusammenseins mit Agrippa zu unterrichten (ant. Iud. XVI 62) und schließlich im J. 12 v. Chr., um ihm die erwählten Nachfolger vorzustellen (bell. Iud. I 457; ant. Iud. XVI 132ff.[2]. In einem Falle ist das Volk von Jericho sogar zu einer Art von Gerichtssitzung von H. versammelt worden, nämlich als es sich


  1. Über das jüdische Synedrion handelt sehr klar Wellhausen 280ff.; s. ferner Schürer II⁴ 238ff. Der Name Senat erscheint mir für das Synedrion die glücklichste Übertragung zu sein, weil es wie der römische Senat von einer Stadt aus, als deren Institution, das ganze mit dieser verbundene Land beherrscht hat. Jerusalem ist eben für das jüdische Land die πόλις; ihm ist dieses wie das Stadtgebiet einer griechischen Stadt beigeordnet; s. hierzu Kuhn Die städt. und bürgerl. Verfass. d. röm. Reichs II 338ff.
  2. Bei bell. Iud. I 654 ist nicht an die ἐκκλησία in Jerusalem zu denken. Dies zeigt uns deutlich die Parallelstelle ant. Iud. XVII 160ff., wonach der betreffende Vorgang sich in Jericho abgespielt hat (s. auch § 173) und es sich auch nicht um das jüdische Volk, sondern nur um ‚οἱ ἐν τέλει‘ der Juden handelt. Es scheint auch dies eine größere Menge gewesen zu sein, da H. sie im Theater von Jericho versammelt. Hingewiesen sei auch auf die Volksversammlung, die Archelaos bald nach H.s Tode abgehalten hat, bell. Iud. II 1ff.; ant. Iud. XVII 200ff.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/079&oldid=- (Version vom 4.11.2022)