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Seite:Otto Herodes.djvu/088

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[RE:131] bei Mariamme so auch bei den Jünglingen, zu dem Mittel der Verleumdung, das um so leichter zu handhaben war, als die Söhne wohl von Anfang an ihrem Vater als dem Mörder ihrer Mutter nicht zugetan waren und dies wohl auch zu erkennen gaben (ant. Iud. XVI 67 scheint mir ein richtiges Urteil zu fällen, vgl. § 399; dagegen dürfte § 72 verglichen mit § 9 übertreiben, und vor allem bell. Iud. I 445, wo der Haß der Jünglinge als ebenso selbstverständlich und ursprünglich wie der ihrer Mutter hingestellt wird, hier eben die Darstellung des Nikolaos zugrunde liegend).

Bis zum J. 14 v. Chr. scheint jedoch alles friedlich verlaufen zu sein; das Mißtrauen des Königs gegen seine Söhne ist erst nach seiner Rückkehr von der Fahrt mit Agrippa geweckt worden, als Salome und Pheroras diese zum erstenmal offen vor dem Vater der Konspiration gegen ihn verklagten (ant. Iud. XVI 73ff.; vgl. bell. Iud. I 447). Um ein Gegengewicht gegen sie zu haben und um sie zu demütigen und einzuschüchtern, entschloß sich H. darauf, seinen Sohn aus erster Ehe, Antipatros, der mit seiner Mutter zusammen verstoßen worden war (bell. Iud. I 438), an den Hof zu berufen (bell. Iud. I 448; ant. Iud. XVI 78–80). Mit ihm tritt der böse Dämon des Königs in Erscheinung; er war ebenso klug wie skrupellos, ein Mensch, der vor nichts zurückschreckte, um sein Ziel, die uneingeschränkte Nachfolge des Vaters, zu erreichen. (Es ist allerdings zu beachten, daß in unsern Quellen ein Todfeind des Antipatros, Nikolaos, zu Worte kommt, aber auch der jüdische Anonymus hat Antipatros und sein Verhalten verurteilt; denn wir finden in unserer Tradition an keiner Stelle irgendwelches Eintreten für ihn, vgl. auch ant. Iud. XVI 404). Antipatros verstand es sehr geschickt, durch Schmeichelei und Verleumdung den Vater völlig für sich und noch mehr gegen Alexandros und Aristobulos einzunehmen. Seine Mutter Doris wurde gleichfalls [RE:132] zurückberufen, er selbst als erstberechtigter Thronerbe in das väterliche Testament aufgenommen und im J. 13 v. Chr. im Gefolge Agrippas nach Rom gesandt, um ebenso wie seine Brüder mit dem Kaiser und den römischen Verhältnissen vertraut zu werden.

Selbstverständlich war infolgedessen die Mißstimmung der Mariammesöhne gegen ihren Vater im steten Wachsen (bell. Iud. I 449–451; ant. Iud. XVI 81–86; s. auch 124). Auch von Rom aus hat seine Intrigen gegen seine Brüder fortgesetzt und seinem argwöhnischen Vater schließlich die Auffassung beigebracht, diese trachteten ihm nach dem Leben (bell. Iud. I 451; ant. Iud. XVI 87–90). Der König entschloß sich darauf, seine Söhne vor dem Kaiser persönlich anzuklagen; zu den völkerrechtlichen Gründen, die für diese Art des Vorgehens gegen sie maßgebend waren (s. S. 61), mag sich damals noch der Zweifel an der Richtigkeit seiner eigenen Auffassung hinzugesellt haben und ihm auch insofern die Anrufung des [136] fremden Richters erwünscht erschienen sein[1]. In Aquileja ist im J. 12 v. Chr. die Anklage vor dem Kaiser zur Verhandlung gekommen; es gelang der kaiserlichen Autorität, den mit sich selbst zwiespältigen König von der Grundlosigkeit seines Verdachtes zu überzeugen und Vater und Söhne miteinander zu versöhnen.

Bei der Rückkehr in die Heimat hat H., wie ihm von Augustus gestattet worden war (s. S. 65), seine Nachfolge geregelt, und zwar ist ihm, entsprechend den schon in seinem Reiche bestehenden Verhältnissen (s. das staatsrechtliche Verhältnis zwischen H. und seinem Bruder Pheroras, S. 122) eine lokal begrenzte Mitregentschaft als die glücklichste Lösung des schwierigen Problems erschienen. Er hat nämlich seinen ältesten Sohn als Oberkönig für den ganzen Staat in Aussicht genommen, unter dem Alexandros und Aristobulos als Unterkönige bestimmte Landesteile beherrschen sollten (s. bell. Iud. I 458. 467; ant. Iud. XVI 133. Vor allem zeigt der Schluß der erstgenannten Stelle, daß die Angabe in den antiquitates nicht auf einen eventuellen Ersatz des an erster Stelle als Nachfolger in Aussicht genommenen Antipatros durch seine Brüder gedeutet werden darf. Vgl. ferner die Ausführungen auf S. 122f.). Es begegnet uns hier also bereits eine ähnliche Regelung der Nachfolge, wie sie H. später in seinem letzten Testament in Aussicht genommen hat (s. S. 149, 166, 175 und 177f.); denn diese hätte sich [RE:133] von der früheren prinzipiell nur dadurch unterschieden, daß der Titel βασιλεύς allein dem Oberherrscher zugekommen wäre.

Diese Ordnung der Nachfolge hat keine der beiden feindlichen Parteien, deren jede der anderen garnichts zuerkennen wollte, befriedigt; der soeben erst beigelegte Unfriede am Hofe ist sofort wieder in Erscheinung getreten (bell. Iud. I 467–480; ant. Iud. XVI 188–205). Antipatros hat sein verschlagenes, geschicktes Intrigenspiel, und zwar immer noch unter der Maske der besorgten Bruderliebe, sofort wieder aufgenommen und seinen Vater weiter zu umgarnen verstanden. Auf der anderen Seite ist der Unmut der Mariammesöhne noch gewachsen. Durch ihren und der Glaphyra großen Stolz schufen sie sich dazu immer neue Gegner, vor allem auch im königlichen Harem; selbst Aristobulos’ Frau scheint durch den Stolz ihres Mannes gekränkt und so zum willfährigen Werkzeug ihrer Mutter, der sie die abfälligen Äußerungen ihres Gemahls bewußt


  1. Für die Anklage vor Augustus s. bell. Iud. I 452–455; ant. Iud XVI 90–127. Im bellum ist fälschlich nur von der Anklage des Alexandros die Rede; doch beachte hier außer § 453 auch die Worte in § 454 ‚ἀπογνῶναι αὐτῶν τὰ κατηγορημένα‘. Ob ein Versehen des Josephus oder seiner Quelle vorliegt, ist schwer zu entscheiden. Bemerkenswert ist aber immerhin ant. Iud. XVI 273, wo bei der kurzen Erwähnung der Anklage nur eine gegen Alexandros gerichtete genannt wird. Da in diesem Abschnitt Nikolaos als Quelle vorliegt, dürfte dieser Fehler doch wohl auf Josephus zurückzuführen sein. Ungenauigkeiten begegnen uns in der kurzen Darstellung des bellum des öfteren, vgl. z. B. gerade vorher § 451 über die Zurückberufung der Doris mit ant. Iud. XVI 85
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/088&oldid=- (Version vom 1.8.2018)