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Seite:Otto Herodes.djvu/094

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nachgewiesen werden; er hatte nämlich eine jüdische Dienerin Akme der Kaiserin Livia gedungen, H. einen gefälschten Brief der Salome an Livia in die Hände zu spielen, in dem die Schwester bei der Kaiserin auf den Sturz des Bruders hinarbeitete. Auf den König hat diese weitere Entdeckung bei seiner Liebe zu seiner Schwester besonders niederschmetternd gewirkt. Er hätte sich übrigens fast bestimmen lassen, daraufhin dem Kaiser allein die Aburteilung des Antipatros zu überlassen (bell. Iud. I 641–644; ant. Iud. XVII 134–145; zumal die hier mitgeteilten Briefe nicht als Wiedergabe der Originale zu fassen sind [s. S. 3], erscheint mir alles einzelne unsicher. Nikolaos a. a. O. spricht dann auch von einem ,μιαρὸν ... πόλυ μεῖζον τῶν εἰς τὸ γένος παρανομημάτων‘, das Antipatros gegen das Kaiserhaus begangen habe; man wird wohl hierunter, da bei Josephus nichts anderes steht, die Gewinnung der Akme, durch die die geheiligte Person der Kaiserin in die Mordpläne des Antipatros hineingezogen worden ist, zu verstehen haben, wenn dies auch natürlich eine starke Übertreibung und damit ein Zeichen für den besonderen Servilismus des Damaszeners ist; Nikolaos’ Angabe, er habe das Angehen des Kaisers in der Antipatrosaffäre mitbewirkt, wird man wohl allein auf dieses zweite Stadium beziehen dürfen).

Die vielen Aufregungen des letzten Jahres haben den greisen und wohl auch schon kränkelnden König (bell. Iud. I 579; ant. Iud. XVII 58) niedergeworfen. Er erkrankte schwer, und im Volke rechnete man bereits mit seinem baldigen Tode. Den Pharisäern erwachte jetzt der Mut, gegen das königliche Regiment offen vorzugehen, das J. 6 v. Chr. zu rächen. Zwei beim Volke sehr beliebte Schriftgelehrte stachelten zunächst ihre jungen Schüler dazu auf, das eine ihnen besonders anstößig erscheinende Wahrzeichen dieses Regiments, den wohl noch nicht lange am Tempel angebrachten goldenen Adler (s. S. 104f.), herunterzureißen. Die fanatischen Jünglinge haben denn auch unter großem Tumult der Menge den Adler beseitigt. Die Täter und eine Reihe anderer an dem Putsch Beteiligter, sowie die Anstifter sind jedoch sofort von dem königlichen Gouverneur in Jerusalem ergriffen worden, und der König hat sie am 13. März 4 v. Chr. teils hinrichten, teils sogar lebendig verbrennen lassen (der genaue Tag ist durch eine Mondfinsternis bestimmt, s. Boll in Pauly-Wissowas Realencykl. VI 2359 s. Finsternisse). Der Hohepriester wurde abgesetzt, und die von dem König umgehend zusammengerufenen Vornehmsten des Volkes wurden auf die Gefährlichkeit solcher Vorgänge aufs energischste hingewiesen (bell. Iud. I 645–655; ant. Iud. XVII 146–167). Trotz seiner schweren Erkrankung hat der König bei dem allem noch einmal seine alte Energie entfaltet, dann ist er jedoch vollends zusammengebrochen.

Seine Krankheit scheint Darmkrebs gewesen zu sein (bell. Iud. I 656; ant. Iud. XVII 168–170). Sie ist dann von H.s feindlicher [RE:144] Seite übertreibend ausgeschmückt worden; der Würmerfraß, der als Strafe so manchen Frevler getroffen haben soll, wird auch hier verwertet. (Vgl. hierzu act. apost. XII 23 über die Todeskrankheit Agrippas’ I. und jetzt die allgemeinen Bemerkungen [148] von Wendland Die hellen.-römisch. Kultur² 330, 6. Merrins in seinem erst nachträglich bekannt gewordenen Aufsatz in The Bibliotheca sacra LXI 548ff. faßt H.’s Karnkheit als die sog. Brightsche Krankheit Krankheit und deutet die Würmer als Maden, die sich infolge Unreinheit in Geschwüren entwickelt hätten). Obwohl die Ärzte alle erdenkbaren Mittel angewandt haben, ist der Verfall sehr schnell vor sich gegangen (bell. Iud. I 657f.; ant. Iud. XVII 171–173). Der todkranke König, der keine Rettung mehr vor sich sah, hat dann allem Anschein nach noch kurz vor seinem Hinscheiden einen letzten Beweis seiner großen Regierungskunst geliefert. Er sah voraus, daß bei seinem Tode das Volk versuchen würde, das verhaßte und nur aus Furcht vor ihm ertragene idumäische Regiment abzuschütteln. Damit sich nun trotzdem der Übergang der Herrschaft auf seinen Nachfolger in möglichster Ruhe vollzöge, hat er die angesehensten Männer aus allen Orten des Reiches in Jericho inhaftieren lassen, um in ihnen seinen Nachfolgern Geiseln für die Bewahrung des Friedens zu hinterlassen. Es wäre denn auch wohl zu dem großen Judenaufstande nach dem Tode des Königs nicht gekommen, wäre diese seine Maßregel nach seinem Tode nicht durch seine Schwester Salome durchkreuzt worden, welche offenbar, um sich selbst populär und um zugleich den neuen Herren Schwierigkeiten und sich so die Bahn für ihre eigenen ehrgeizigen Pläne frei zu machen (s. S. 168), die Entlassung der Inhaftierten von sich aus bewerkstelligt hat, noch ehe der Tod des Königs allgemein bekannt geworden war[1].

Die letzten qualvollen Tage seines Lebens


  1. In bell. Iud. I 659f. 666; ant. Iud. XVII 173–179. 193 werden allerdings der Inhaftierung ganz andere Beweggründe, als wie ich sie hier vermutet habe, untergeschoben; H. hätte hiernach den Auftrag gegeben, die Gefangenen nach seinem Tode umzubringen, um sich so noch als Toter an seinem Volke zu rächen und sich eine allgemeine Landestrauer zu sichern (in den Scholien zum Megillat Taanith § 25 wird das Ganze fälschlich von Alexander Jannäus berichtet, vgl. Derenbourg 164f.). Die scharfe Ablehnung dieser Erzählung durch Wellhausen 338, 2 scheint mir vollkommen berechtigt zu sein, sein eigener Deutungsversuch jedoch nicht glücklich; denn die völlige Erfindung der Gefangensetzung und der Entlassung der Gefangenen halte ich für ausgeschlossen, und zwar um so mehr, als gerade Salome bei der letzteren eine Rolle spielt. Es ist nun aber zu beachten, daß das einzige Zeugnis für den Blutbefehl des Königs die Angabe seiner Schwester bei der Freilassung der Gefangenen ist; daß diese den Blutbefehl einfach erfunden haben kann, um der Freilassung noch ein besonderes Relief zu geben, ist bei deren Charakter an sich höchst wahrscheinlich. Zudem war H. nicht der Mann der nutzlosen Grausamkeiten, und er hat stets Rücksicht auf seinen Oberherrn Rom genommen, dessen Wohlwollen ihm damals für die Nachfolgeordnung besonders notwendig erschienen sein muß: daß aber ein derartig unerhörter Befehl bei Augustus gerade das Gegenteil von Wohlwollen WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt ausgelöst haben würde, das mußte sich jeder Verständige sagen. Daß bei der Stellung des Volkes zu H. die Angabe der Salome ohne weiteres vollen Glauben fand, ist nicht zu verwundern.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/094&oldid=- (Version vom 5.11.2022)