[RE:145] hat H. in Jericho zugebracht. Hier erreichte ihn auch noch der Bescheid des Kaisers, er könne Antipatros ganz nach seinem Gutdünken bestrafen, und fünf Tage vor dem eigenen Tode hat der König noch den Befehl zur Hinrichtung seines ältesten Sohnes gegeben (bell. Iud. I 661–664; ant. Iud. XVII 182–187, Nikol. Damasc. a. a. O.). Kurz vor seinem Hinscheiden hat er auch die Thronfolge noch einmal neu geordnet. Nach dem Sturze des Antipatros hatte er seinen Sohn Antipas als alleinigen Thronfolger ins Auge gefaßt unter Übergehung der beiden älteren Söhne Archelaos und Philippos, gegen die infolge der Intrigen des Antipatros sein Argwohn erregt worden war (bell. Iud. I 664; ant. Iud. XVII 146). In seinem letzten Testament hat er jedoch nicht nur einen Personenwechsel vorgenommen, sondern sich sogar für ein ganz anderes Erbfolgeprinzip entschieden; neben Archelaos als Inhaber der βασιλεία über das ganze Reich sollten Antipas und Philippos als Tetrarchen über einzelne Teile – Galiläa und Peräa, bezw. Gaulanitis, Trachonitis, Batanaia und Panias – gebieten (bell. Iud. I 664. 668; ant. Iud. XVII 188f. 194; vgl. hierzu die Bemerkungen S. 166 und 175). Einen Grund für diese ebenso plötzliche wie gänzliche Willensänderung bietet uns die Tradition nicht. Sollte hier nicht etwa Augustus zugleich mit seiner Entscheidung über das Geschick des Antipatros dem Könige Direktiven für die Rom allein genehme Nachfolgeordnung haben zukommen lassen und hierdurch die plötzliche Änderung bewirkt haben? Gegen Ende März oder in den allerersten Tagen des April des J. 4 v. Chr. ist H. gestorben (bell. Iud. I 665; ant. Iud. XVII 195. Über die Todeszeit unterrichtet sehr gut Schürer I³ 415, 167). In seiner Residenz Herodeion ist er beigesetzt worden. Der äußere Glanz, den er bei Lebzeiten so sehr geschätzt hatte, hat ihn auch auf seinem letzten Weg begleitet; es war ein wahrhaft königliches Leichenbegängnis (bell. Iud. I 670–673; ant. Iud. XVII 196-199).
3. Herodes als Mensch und Regent.[1]
Josephus gibt H. aus Anlaß einer langen genealogischen Erörterung den Beinamen ,ὁ μέγας‘ (ant. Iud. XVIII 130. 133. 136). Sonst wendet er diesen jedoch niemals an, und da auch die zeitgenössischen Quellen (s. etwa den Titel des Werkes des Ptolemaios S. 5*) den Beinamen nicht gekannt zu haben scheinen, so hat die Annahme sehr viel für sich, daß es sich hier nicht um die Wiedergabe einer nur irgendwie offiziellen oder wenigstens früh aufgekommenen Bezeichnung handelt, sondern daß vielmehr Josephus das Beiwort nur aus praktischen Gründen, um die Unterscheidung in den genealogischen Ausführungen [150] zu erleichtern, gewählt hat, und daß ,ὁ μέγας‘ hier gar nicht ‚den Großen‘, sondern [RE:146] vielmehr nach hebräischer Sprachweise einfach den Älteren bezeichnen soll (an diese erinnert auch Ewald IV³ 546. Einen Hinweis auf einen Titel wie ,βασιλεὺς μέγας‘ [so Keim 36] darf man in dem Beiwort des Josephus nicht sehen, da H. diesen Titel niemals geführt zu haben scheint; das Fehlen auf den Münzen ist doch wohl beweisend. Auch Schürer I³ 418, 169 kann ich nicht zustimmen). Man muß sich also bewußt sein, daß man bei der in der modernen Literatur üblichen Anwendung des Beinamens ,der Große‘ für H. sich nicht auf alten antiken Brauch stützen kann, sondern daß diese Bezeichnung erst nachträglich geprägt worden ist.
Der Mensch in H. hat jedenfalls diesen Ehrentitel nicht verdient, wenn man auch die Lichtseiten seines Wesens nicht unterschätzen, sich dessen stets bewußt sein soll, daß auch bei ihm, wie gerade bei so vielen bedeutenden Männern, sehr viel Gegenteiliges, große Vorzüge und große Fehler, miteinander vereinigt waren.
Die Natur hatte den König selten reich ausgestattet; Nikolaos von Damaskos, der der Charakteristik bei Joseph bell. Iud. I 429f. zugrunde liegt (das Berichtete erscheint glaubwürdig), rühmt, daß H. nicht nur geistig, sondern auch körperlich bevorzugt gewesen sei. Eine nähere Schilderung seines Äußeren besitzen wir jedoch nicht; das Fehlen jedes Bildnisses, das ihn uns auch äußerlich näher kennen lehren würde, ist daher besonders zu bedauern. Wir erfahren nur, daß sich der König durch Gewandtheit und Stärke ausgezeichnet hat; er war ein geschickter Reiter, ein vortrefflicher und begeisterter Jäger (ein Rapport aus dem Hofjagdbericht ist bei Nikolaos verwertet; vgl. auch ant. Iud. XV 244), und ein Meister in allen kriegerischen Übungen. An seinem persönlichen Mute, an seiner Tapferkeit ist kein Zweifel möglich; denn ebenso wie er, ohne zu zaudern und dadurch vielleicht alles zu verderben, die ihm Verderben zu bringen scheinenden Reisen zu Antonius nach Laodikeia und zu Octavian angetreten und sich dem ihm feindlichen Synedrion ohne weiteres gestellt hat, so hat er auch im Kampfe, wenn nötig, sich selbst an die Spitze der Truppen gestellt und tapfer mitgekämpft und sich nicht mit der Leitung der militärischen Operationen begnügt (s. etwa bell. Iud. I 264. 322. 336; ant. Iud. XIV 442). Auch ein sehr tüchtiger Soldat, vielleicht sogar ein guter Stratege ist H. gewesen; nur selten ist ihm der militärische Erfolg versagt geblieben, obwohl er zumeist unter sehr schwierigen Verhältnissen zu kämpfen hatte (daß seine Feldherrnqualitäten schon früh bekannt und auch weithin geschätzt worden sind, dafür scheint mir auch der Versuch der Kleopatra im J. 40 v. Chr., H. als Feldherrn für sich zu gewinnen, zu sprechen, s. bell. Iud. I 279).
Ebenso unbestreitbar wie sein Mut ist seine Tatkraft bei der Ausführung des von ihm als richtig Erkannten, seine selbst im Unglück, im hohen Alter und in schwerster Krankheit bis kurz vor seinem Tode nicht erlahmende Energie; er war ein Mann der Tat, den auch das widrigste Geschick nicht niedergeworfen hat. Er war außerdem ein eminent
- ↑ Belege für meine Aufstellungen biete ich in diesem Abschnitte nur dann, wenn sie sich aus der bisherigen Darlegung nicht von selbst ergeben.
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/095&oldid=- (Version vom 4.11.2022)