Zum Inhalt springen

Seite:Otto Herodes.djvu/096

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kluger Mensch, vorsichtig und weitsichtig (charakteristisch hierfür erscheint mir ein an sich so kleiner Zug wie die rechtzeitige Bergung [RE:147] seiner Schätze, als im J. 40 v. Chr. die Parthergefahr drohte), ein Mensch, der selbst unerwartet eintretende Verhältnisse klar zu durchschauen imstande war und dann schnell seine Entschlüsse zu fassen vermochte (man denke allein an die häufigen Wechsel der römischen Herren, denen H. sich anzuschmiegen verstanden hat). Auch die Gabe, die Menschen für sich zu gewinnen, muß ihm in reichem Maße verliehen gewesen sein (s. speziell auch ant. Iud. XVI 22. 24); scheinen doch selbst Männer wie Antonius, Agrippa und Augustus unter seinem Bann gestanden zu haben. Er war das Muster eines geschmeidigen Diplomaten (man muß sich bewußt sein, daß er diese seine Diplomatengabe auch seinem Volke gegenüber betätigt hat; hier hat allerdings auch seine Diplomatie versagt, s. S. 157ff.). Seine Redegabe mag ihm hierbei sehr zu Hilfe gekommen sein (von der Tradition werden uns immer wieder Reden des Königs berichtet, was doch wohl nicht allein durch die Prinzipien rhetorischer Darstellung bedingt sein dürfte; er hat also offenbar auch sehr gern gesprochen). Die antike Tradition[1] hat zwar recht, wenn sie in H. ein Kind des Glückes sieht (man denke nur an den Sturz der Kleopatra und des Antonius), aber trotzdem darf man behaupten, daß H. die Erlangung seiner königlichen Stellung und deren Behauptung vornehmlich der eigenen Tüchtigkeit verdankt; durch diese vermochte er sein Glück zu zwingen.

Von guten Eigenschaften des Königs sei ferner noch sein großer Bildungstrieb, der Lerneifer, den er selbst als älterer Mensch noch bekundet hat, hervorgehoben. Auch Sinn und Verständnis für die Kunst wird man ihm nicht absprechen dürfen (Schürers I³ 394 Urteil über den ,Barbaren‘ H. kann ich nicht unterschreiben; oder sollte es rein moralisierend gemeint sein?[2].

Besonders kennzeichnend für H. ist schließlich auch seine ganz ungewöhnliche Freigebigkeit und Wohltätigkeit (selbst ant. Iud. XVI 150 wird dies anerkannt, trotzdem hier der jüdische Anonymus zugrunde liegen dürfte; vgl. hierzu auch das allgemeine Urteil ant. Iud. XV 326f., sowie XVI 140f.). Den Vorwurf der Verschwendung (so schon ant. Iud. XVI 154, aber auch zum Teil die Neueren, s. z. B. Keim 35) wird man ihm jedoch trotz seiner riesigen Spenden nicht machen dürfen, da er für alle nötigen Ausgaben stets genügende Mittel besessen hat[3], da er niemals Schulden gemacht und bei seinem Tode sogar ein großes Privatvermögen hinterlassen hat. Man [152] wird wohl die Freigebigkeit des Königs mit seiner außergewöhnlichen Prachtliebe in Verbindung bringen dürfen; der Wunsch, allenthalben zu glänzen und weithin gefeiert zu werden, mag bei ihm stark maßgebend gewesen sein. Denn zu der Prachtliebe [RE:148] haben sich als bestimmende Momente hinzugesellt Eitelkeit, von der sich H. auch sonst nicht frei gezeigt hat[4], und Ehrgeiz; man sollte jedoch nicht mit der antiken Tradition[5] ehrgeizige Motive als die alleinige Triebfeder für seine Freigebigkeit annehmen (auch politische Gründe haben ihn hier geleitet s. S. 158), zumal schon H.s rückhaltsloses Eintreten für sein Volk in den schweren Zeiten der Dürre und Hungersnot genügt, uns die Unwahrscheinlichkeit dieser These zu erweisen (s. auch das Urteil ant. Iud. XV 298).

Selbstverständlich wird man trotzdem einen glühenden Ehrgeiz als einen der am meisten charakteristischen Züge im Wesen des Königs annehmen dürfen, als den Zug, dem er außer seiner Tatkraft wohl vor allem seine Erfolge zu verdanken hat. Mit dem Ehrgeiz steht seine Herrschsucht in engster Verbindung (s. hierzu auch den jüdischen Anonymus, ant. Iud. XVI 156ff., der jedoch bei seinem Urteil andere wichtige Momente nicht genügend berücksichtigt). Er, der die Macht über alles liebte, konnte sich zwar bücken und schmeicheln, wenn Mächtigere in Frage kamen, aber bei allen ihm Untergebenen konnte er auch nicht den geringsten Widerstand ertragen. Er wollte der unumschränkte Herrscher sein, dem sich alles beugte, und wer, wie seine Schwester Salome oder sein Sohn Antipatros, hierfür besonders eifrig zu wirken schien, der hatte gewonnenes Spiel bei ihm. Seine Stellung zu behaupten, und zwar selbst mit den an sich verwerflichsten Mitteln däuchte ihm daher selbstverständlich; erschien sie ihm auch nur irgendwie bedroht, dann galten Menschenleben für ihn nichts mehr, dann gab es für ihn die Begriffe Treue, Dankbarkeit, Freundschaft und Verwandtschaft nicht mehr (s. auch S. 50).

An und für sich sind ihm diese jedoch durchaus nicht fremd gewesen (man denke auch an seinen Freund Hippikos, s. S. 45 oder etwa an sein Verhalten gegenüber Archelaos nach dessen Vermittlung, wo man doch die besonders reichen Geschenke an diesen als Ausfluß der Dankbarkeit auffassen darf). Auch weicherer Gefühle, sogar der Reue, ist H. fähig gewesen, und gewaltig, wie alles, hat auch sie sich bei ihm geäußert (außer den Bemerkungen auf S. 55 über die Zeit nach der Hinrichtung der ersten Mariamme s. etwa noch bell. Iud. I 555; ant. Iud. XVI 75ff. [hier liegt freilich Nikolaos zugrunde] 240). Allerdings war


  1. Bell. Iud. I 665; ant. Iud. XVII 191. Kennzeichnend für die Quellenfrage ist die Umbiegung des Urteils über H. in den antiquitates; s. auch ant. Iud. XV 376.
  2. Auf die eine Liebhaberei des Königs, die Taubenzucht, sei hier noch hingewiesen; s. die Bemerkungen von Schürer I³ 394, der außer bell. Iud. V 181 auch die Belege aus der Mischna anführt.
  3. Die ant. Iud. XV 303 berichtete augenblickliche Erschöpfung des Staatsschatzes hängt mit H.s Städtegründungen zusammen.
  4. So hat er sich in seinem Alter sein Haar schwarz gefärbt (bell. Iud. I 490; ant. Iud. XVI 233); jedoch mag hier nicht bloß rein menschliche Eitelkeit dahinter stecken, sondern einer Herrschernatur wie H. dürfte es auch unerträglich gewesen sein, sein Altern, sein äußeres Abnehmen der großen Menge zum Bewußtsein kommen zu lassen.
  5. Außer ant. Iud. XVI 153f. s. auch ant. Iud. XV 296. 328ff.; es liegt hier die H. abgeneigte Überlieferung zugrunde.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/096&oldid=- (Version vom 1.8.2018)