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Seite:Otto Herodes.djvu/118

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32. Cass. Dio LIX 27), den Tetrarchen bei Gaius angeschwärzt und so der Anklage Agrippas’ I. gegen seinen Schwager vorgebaut hat.

Diese ist im J. 39 n. Chr. erfolgt (über sie Joseph. bell. Iud. II 181–183; ant. Iud. XVIII 240–253. Für die Chronologie s. Schürer I³ 448, 46; man kann auch die Nennung des im J. 39/40 n. Chr. gestorbenen Partherkönigs Artabanos III. als angeblichen Bundesgenossen des Tetrarchen zur Zeit seines Sturzes für sie verwerten). Die Anklage sollte ein Paroli sein gegenüber dem Bestreben des Herodes Antipas, bei dem neuen Kaiser anstatt des bisherigen Tetrarchentitels den Königstitel zu erlangen und so mit Agrippa I., den Gaius zum βασιλεύς ernannt hatte, auf eine Stufe zu kommen. Von sich aus hätte der Tetrarch diesen Plan freilich nicht aufgegriffen; er wurde ihm vielmehr durch seine ehrgeizige Gemahlin Herodias direkt aufgezwungen, da dieser der höhere Titel des Bruders, dem sie einst durch die Stellung als ἀγορανόμος von Tiberias ein Gnadenbrot verschafft hatte (Joseph. ant. Iud. XVIII 149), als er als tief verschuldeter Abenteurer die Welt durchzog, keine Ruhe ließ. Herodes Antipas hat daher auf seine alten Tage noch einmal eine Reise nach Italien angetreten, begleitet von Herodias, um dem Kaiser persönlich sein Anliegen vorzutragen. Man hoffte durch die nötigen Geldspenden Gaius für seine Wünsche geneigt zu machen, und versuchte auch sonst alles, um dem Kaiser möglichst zu schmeicheln; s. die schon erwähnten Münzen aus dem J. 39 n. Chr. mit dem Namen der Gaius, der von einem Lorbeerkranz umgeben ist. Agrippa I. war jedoch nicht gewillt, den Königstitel mit einem andern, mit dem er sich zudem früher während seiner Wirksamkeit in Tiberias völlig überworfen hatte (Joseph. ant. Iud. XVIII 150), zu teilen, und da er fürchten mußte, daß Gaius, in dessen Regierung ja Geld alles bedeutete, den Schätzen des Tetrarchen erliegen würde, so erhob er in einem Schreiben eine Anklage auf Hochverrat gegen diesen (Joseph. bell. Iud. II 183 spricht fälschlich davon, daß Agrippa persönlich die Anklage vertreten habe; dies beruht auf flüchtigem Exzerpieren aus der Quelle, s. ant. Iud. XVIII 247). Er beschuldigte ihn des früheren Einverständnisses mit Sejan – schon dies genügt, um die Haltlosigkeit der ganzen Anklage zu erkennen – und der Verschwörung gegen Gaius mit dem Partherkönig Artabanos; als Beweis wurde auf die Unmasse des von Herodes Antipas angehäuften Kriegsmaterials verwiesen.

In Bajä sind gleichzeitig die Bitte des Tetrarchen und die Anklage Agrippas vor Gaius zur Verhandlung gekommen; Agrippa triumphierte. Die Verhandlung gegen Herodes Antipas scheint mehr oder weniger eine Farce gewesen zu sein. Denn schon allein auf das Eingeständnis des großen Waffenvorrats, dessen Anschaffung sich durch die wohl immer noch drohende Arabergefahr einwandsfrei erklärt, soll die Verurteilung des Tetrarchen erfolgt sein, bei der Gaius wohl nicht allein seinem Freunde Agrippa, sondern noch mehr seinem Geldbeutel zuliebe gehandelt hat; gerade die großen Aufwendungen des Vasallenfürsten werden seine Geldgier gereizt haben. Dieser wurde seiner Länder und seines Vermögens verlustig erklärt und zu ewiger Verbannung [196] nach Lugdunum Convenarum in Gallien am Nordabhang der Pyrenäen (s. zu der Ortsbestimmung Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1895, 399, 1, der richtig die differierenden Angaben des bell. Iud. II 183 und der ant. Iud. XVIII 253 vereinigt hat) verurteilt; in die Verbannung ist ihm auch Herodias freiwillig gefolgt. Hier ist er auch gestorben, ohne Nachkommen zu hinterlassen; die Zeit seines Todes ist uns nicht bekannt (der Versuch Schürers I³ 449, 7, auf Grund von Cass. Dio LIX 8 die Hinrichtung des Verbannten durch Gaius festzustellen, beruht auf einem Mißverständnisse; so schon richtig Willrich Klio III 304, 1).

Herodes Antipas wird vielfach (so z. B. von Brann 306) vor allem als ein ruhiger, schlaffer, sogar träger Mensch beurteilt, aber wohl nicht mit Recht. Seine Bewerbung um den Thron im J. 4 v. Chr., mag auch Salome ihn hierzu ermutigt haben, zeigt uns eigentlich schon deutlich das Gegenteil – wie anders verhält sich z. B. sein Bruder Herodes (s. S. 201), aber auch sein ganzes Verhalten in der Zeit des Tiberius – es sei nur an seine umgehende Berichterstattung über die römischen Parthererfolge oder an sein rücksichtsloses Handeln bei der Gewinnung der Herodias erinnert – spricht gegen diese Charakteristik. Besondere Tatkraft und Energie wie sein Vater hat er allerdings wohl nicht besessen. So finden wir ihn gegen Ende seines Lebens, als er sich zu der Bittreise zu Gaius entschließt, sehr stark unter dem Einflusse seiner Frau stehen, und dies soll nach Joseph. ant. Iud. XVIII 246 auch sonst der Fall gewesen sein, aber man soll auch hieraus keine zu weitgehenden Folgerungen ableiten. Denn gerade die Salomeerzählung der Evangelien – der Zweifel an ihrer Geschichtlichkeit hindert ihre Verwertung in diesem Zusammenhange nicht – setzt keine unbedingte Fügsamkeit des Tetrarchen gegenüber den Wünschen seiner Frau voraus; sie kann vielmehr nur durch List ihr Ziel erreichen. Auch der Widerstand, den er nach der vollkommen glaubhaften Schilderung des Josephus den hochfliegenden Königsplänen der Herodias trotz seiner großen Liebe zu ihr entgegengesetzt hat (ant. Iud. XVIII 241ff.), spricht gegen einen von Haus aus schlaffen und stark phlegmatischen Menschen. Josephus (ant. Iud. XVIII 245) charakterisiert ihn allerdings als ἀγαπῶν τὴν ἡσυχίαν (vgl. hierzu bell. Iud. II 182), aber bei diesem Urteil handelt es sich doch um den altgewordenen Fürsten, der sich in seinen alten Tagen auf große neue Unternehmungen, wie die Königspläne der Herodias, nicht mehr einlassen will, dessen vielleicht nie besonders entwickelter Ehrgeiz völlig befriedigt ist. Für das Gesamturteil darf also die Josephusstelle, mag sie auch für den gealterten Herrscher ganz zu Recht bestehen, kaum verwertet werden, ebensowenig wie man aus dem Nichtvorgehen seines ältesten Bruders Antipatros gegen ihn, als dieser im J. 5 v. Chr. die beiden anderen Brüder Archelaos und Philippos bei dem Vater anschwärzt, schließen darf, daß Antipatros ihn für zu unbedeutend gehalten habe und nur deswegen sich nicht auch gegen ihn gewandt habe. Denn es kann dies ebensogut eine Folge eines klugen, den Antipatros täuschenden Verhaltens des Antipas gewesen sein. Ein solches kann auch, abgesehen von der Erkenntnis seiner gegenüber Archelaos

Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/118&oldid=- (Version vom 11.6.2023)