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Seite:Otto Richter Lehrjahre eines Kopfarbeiters.pdf/118

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Fragen von Gewerbe, Industrie, Handel und selbst Landbau stets gekümmert. Wäre er in der Prüfung gleich anfangs auf solche anstatt auf verstaubte Lehrsätze zu sprechen gekommen, so würden wir uns von vornherein zu voller gegenseitiger Befriedigung unterhalten haben. Immerhin bestand ich die Prüfung auch bei ihm mit leidlichem Anstand und wir schieden als Freunde. Ich konnte die Ernennung zum philosophiae doctor et bonarum artium magister erleichterten Herzens entgegennehmen. In alter Zeit hatte bei dieser Gelegenheit der Vorsitzende eine feierliche Rede gehalten und darin um­ständlich nachgewiesen, daß es ohne Philosophie nicht möglich sei, auf irgendeinem Gebiete Wissen zu erlangen oder eine tüchtige Stellung einzunehmen; sodann war dem Kandidaten ein Barett aus Schafwolle, ein Fingerring und ein Buch als die Zeichen der Magisterwürde überreicht worden. Diese Sitte bestand leider nicht mehr, ich mußte daher meinen Zylinder als Doktorhut benutzen und mich dann bemühen, ihn durch fleißiges Bürsten immer in gebührendem Glanze zu erhalten.

Als ich die Treppe im Roten Kolleg herabstieg, war ich natürlich ein gut Teil klüger als beim Hinaufsteigen und nahm mir vor, manches anders zu machen und vor allem plan­mäßiger vorzugehen, wenn ich wieder einmal studieren würde. Der mir eben aufs Haupt gesetzte Doktorhut drückte noch ein wenig. Dennoch war ich auf ihn beinahe ebenso stolz, als dazumal auf die ersten selbsterworbenen Beinkleider, in denen ich als Advokatenschreiber in Meißen auf die Wachtparade spazierte. Meiner herzlieben alten Mutter – der Vater war ein Jahr vorher von langem Leiden durch den Tod erlöst worden – hat die Nachricht von meiner neuen Kopfbedeckung gewiß viel Freude gemacht. Ob der Guten aber der Kauf­preis nicht etwas zu hoch erschienen ist? Was ich in meinen acht Schul- und Universitätsjahren an barem Geld, einge­schlossen die Schul- und Kollegiengelder und die Kosten der Doktorpromotion, verbraucht hatte, bestand in 2500 Mark

Empfohlene Zitierweise:
Otto Richter: Lehrjahre eines Kopfarbeiters. Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung, Dresden 1925, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Richter_Lehrjahre_eines_Kopfarbeiters.pdf/118&oldid=- (Version vom 10.6.2024)