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Träger der Bogen, die Kapitelle, die Figurenfriese, alles deutet auf die italienische Renaissance, aber die Ausführung ist ungleich, zum Teil herb in den Linien und mager in den Formen. Das meiste mag von deutschen Steinmetzen ausgeführt sein, besonders wohl die derben Scherze, die hier und da vorkommen; doch daß auch der Paduaner Juan Maria an der Ausführung teilgenommen hat, bezeugen seine Buchstaben JM oder JPM, die an dem nordöstlichen Turm mehrfach vorkommen. Als italienische Arbeiten erkennen wir - mit Gurlitt - die Füllungen der Pilaster, die geistreich behandelten Kapitelle und namentlich die Reliefs der Friese.

Die beiden Haupttreppen am Nordbau bestehen aus einem zylindrischen Kern mit ansteigenden Fenstern in fünf Geschossen. Die umkleidende Architektur springt mit drei Seiten des Fünfecks aus den Hofecken hervor. Das Erdgeschoß ist niedrig, die Portale sind mit Hermen und Karyatiden eingerahmt; kraftvoll massige Pilaster mit reichen Verzierungen tragen einen Austritt mit elegantem Eisengitter. Darüber erheben sich schlanke Pilaster mit korinthischen Kapitellen in freier geistreicher Behandlung. In der Höhe des Hauptgesimses stehen wir auf einem zweiten schmaleren Austritt; den Abschluß bildet ein Rundbau mit Kuppeldach.

Am nordöstlichen Turm von 1549 sind die kolossalen Träger heldenhafte Krieger, darunter Simson mit dem Eselskinnbacken und ein zottiges nacktes Menschenpaar. In den Zwickeln sind Adam und Eva dargestellt, in den Reliefs der unteren Postamente ein liegender Hirsch, der den Baum des Paradieses mit Adam und Eva als Geweih trägt, anderseits ein Widder mit dem Opfer Kains. Im oberen Fries ein wildbewegter Reiterkampf, an den Risaliten Einzelgestalten, z. B. ein nackter trommelnder Krieger, an den Kapitellen Büsten in der Mitte, an den Ecken Füllhörner, darauf sitzende Kinder, die die Deckplatte mit dem Rücken tragen und den Schinkenplatz nach außen recken. Am nordöstlichen Treppenhaus sind die Träger als Hermen auf einem Menschenfuß gebildet. „Die Ornamente in den Füllungen neigen noch mehr zum Possenhaften und Komischen, wenigstens an den Postamenten, deren eines als Hauptmotiv den Unterkörper eines Mannes bis an die Hüfte zeigt“. Reiche geistvoll behandelte Kapitelle und Kindergestalten in den Füllungen der Pilaster weisen auf italienischen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/46&oldid=- (Version vom 20.8.2021)