Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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trat dazwischen und verhinderte die Tat durch eine Stimme vom Himmel, durch die er ihm befahl, inne zu halten und den Knaben nicht anzurühren; zweimal rief er den Vater bei seinem Namen, damit er sich umwende und so abgelenkt und gehindert werde die Opferung auszuführen. [33] 177 So wurde der Knabe gerettet, da Gott das Geschenk wieder zurückgab und so den Darbringer für seine fromme Hingebung belohnte. Dem Weisen wurde seine Tat, obwohl sie unvollendet blieb, als eine vollkommene und vollständige angeschrieben und verewigt, nicht nur in den heiligen Büchern, sondern auch in den Herzen ihrer Leser. 178 Den Schmähsüchtigen und Verleumdern freilich, die lieber alles zu tadeln als zu loben pflegen, scheint diese Tat nicht so gross und bewunderungswürdig zu sein, wie wir sie schätzen. 179 Sie sagen nämlich, dass auch viele andere überaus zärtliche und kinderliebende (Eltern) ihre Kinder hingegeben haben, um sie teils für das Vaterland zu opfern als Sühne wegen eines Krieges oder wegen Trockenheit oder Ueberschwemmung oder pestartiger Krankheiten, teils aus hergebrachter Frömmigkeit, wenn es auch keine wahre Frömmigkeit ist; 180 wenigstens hätten hochangesehene Hellenen, nicht nur gewöhnliche Bürger, sondern selbst Könige, keine Rücksicht auf ihre Kinder genommen und durch ihre Opferung grosse und zahlreiche Heeresmassen, die mit ihnen im Bunde waren, gerettet und die der Gegner bei dem ersten Angriff vernichtet. 181 Barbarische Völker hätten lange Zeit den Kindermord als heiliges und gottgefälliges Werk zugelassen, ein Frevel, an den ja auch der göttliche Moses erinnere; denn er macht ihnen Vorwürfe wegen dieser Greueltat und sagt, „dass sie ihre Söhne und Töchter ihren Göttern zu Ehren [27 M.] verbrennen“ (5 Mos. 12,31). 182 Die indischen Gymnosophisten sollen bis zum heutigen Tage, wenn die langwierige und unheilbare Krankheit, das Greisenalter, sich einzustellen beginnt, bevor es sich stark geltend macht, einen Scheiterhaufen errichten und sich selbst verbrennen, auch wenn sie imstande sind sich möglicherweise noch lange Jahre zu erhalten[1].
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/43&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
- ↑ Gymnosophisten hiessen bei den Griechen die Brahmanen, die als Büsser und Einsiedler ein beschauliches Leben führten und oft freiwillig dem Leben entsagten (vgl. Lassen, Ind. Altertumsk. III 362ff.)