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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

und beides, das Gute wie das Böse, begriffen, aber das Schlechtere für sich erwählt hat; denn zu fest ist sie an das Sterbliche gebunden, dem das Übel zugehört, während ihr Gegenteil, das Gute, dem Göttlichen angehört. [16] 85 Dieses sind nun die naturgegebenen Heimatländer: im Kindesalter die Leidenschaft, Ägypten, im Alter der Reife das Laster, Kanaan. Die Heilige Schrift aber, die die Heimatländer unseres sterblichen Geschlechtes wahrlich gut kennt, rät, was zu tun und förderlich ist, indem sie mit folgenden Worten deren Sitten und Gebräuche und Lebensweise zu hassen befiehlt: 86 „Und es sprach Gott zu Moses folgendermaßen: Sprich zu den Kindern Israels und rede zu ihnen: Ich bin der Herr euer Gott. Ihr sollt nicht nach den Gebräuchen des Landes Ägypten, in dem ihr einst wohntet, verfahren; auch nach den Gebräuchen des Landes Kanaan, in das ich euch führe, sollt ihr nicht verfahren und seinen Gesetzen nicht folgen. Meine Bestimmungen sollt ihr ausführen und meine Befehle einhalten und nach ihnen wandeln. Ich bin der Herr euer Gott. Ihr sollt alle meine Befehle und Bestimmungen einhalten und sie ausführen. Wer sie ausführt, wird in ihnen[1] leben. Ich bin der Herr euer Gott“ (3 Mos. 18, 1–5). 87 Also gibt es ein wahres Leben nur für den, der in den Bestimmungen und Befehlen Gottes wandelt. [532 M.] Daraus folgt, daß die Gebräuche der Gottlosen den Tod bedeuten. Welches sind nun die Gebräuche der Gottlosen?[2] Doch die des Affektes und der Übel, aus denen die Masse der Frevler und Übeltäter entsteht. 88 Zehn Jahre nach der Wanderung nach Kanaan also sollen wir[3] die Hagar zu uns nehmen, da wir, obwohl von Geburt

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/026&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. LXX: καὶ ζήσεται ἐν αὐτοῖς wird von Philo prägnant als: „Er wird in ihnen (d. h. in ihren Grenzen, vgl. § 87 περιπατεῖν) leben“ verstanden. Das hebräische Original (וָחַי בָּהֶם‎) bedeutet: „Er wird durch sie leben.“
  2. Die überlieferten Worte τινα δὲ ἀθέωρητα sind verdorben, die vorgeschlagenen Konjekturen befriedigen nicht. Ich vermute, daß ursprünglich: Τίνα δὲ ἀθέων; Ἤτοι ἅ usw. dastand, und übersetze danach. Colson (Loeb Classical Library, Philo IV S. 502) verbessert ähnlich: τίνα δὲ τὰ ἀθέων εἴρηται· τὰ πάθους καὶ κακίας ἐστίν, entfernt sich aber zu weit von der Überlieferung. [Beide Textgestaltungen ergeben keinen befriedigenden Sinn. In den „Untersuchungen zum philonischen Genesiskοmmentar“ versuche ich als ursprüngliche Lesart zu erweisen: τινὲς δ` ἀθεώρητοι πάθους καὶ κακιῶν εἰσιν, ἐξ ὧν – φύεται. Das wäre etwa so zu übersetzen: Einige aber, welche unkundig der Leidenschaft und der Laster blieben, sind es, aus denen die Mengen der Gottlosen und Frevler erwachsen“. M. A.]
  3. Zu diesem „Wir“ vgl. oben § 6 Anm. 7.