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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

sprach der Herr, zweifach hörte ich dies“[1] (Psalm 62, 12). Denn das „einmal“ gleicht dem Ungemischten – denn auch das Ungemischte ist eine Einheit und die Einheit ein Ungemischtes –, das „zweifach“ aber dem Gemischten; denn das Gemischte ist nicht einfach, da es Vereinigung und Trennung zuläßt. 83 Ungemischte Einheiten nun spricht die Gottheit; denn ihr Wort ist keine Luftschwingung und überhaupt mit keinerlei anderem vermengt, sondern unkörperlich und nackt, von einer Einheit nicht unterschieden.[2] 84 Wir aber hören in der Zweiheit; denn der aus dem Kopfe kommende Hauch wird durch die rauhe Luftröhre vorgestoßen, im Munde von der Zunge wie von einer Künstlerin geformt und nach außen getragen, mit der ihm verwandten Luft vermengt und sie erschütternd vollendet sie in harmonischer Weise die Mischung einer Zweiheit.[3] Denn der Zusammenschall aus zwei verschiedenen Tönen harmoniert zuerst in einer Zweiheit, die, in ihre Teile zerlegt, einen hohen und einen tiefen Ton enthält. 85 Sehr wohl stellt er[4] also der Menge der ungerechten Geister einen einzigen, den gerechten, entgegen, an Zahl zwar geringer, an Kraft aber größer, damit nicht beim Abwiegen wie auf einer Wage das Schlechtere nach unten sinke, sondern durch die Kraft des gegenteiligen Ausschlages zum Besseren aufgewogen und entkräftet werde.

[19] 86 Was das aber heißt: „Noah fand Gnadengaben[5] vor dem Herrn Gott“ (1 Mos. 6, 8), wollen wir im Zusammenhang betrachten. Von den Findern finden die einen wieder, was sie früher besaßen und verloren, die andern aber (finden), was sie früher nicht besaßen, sondern sich jetzt erst aneignen. Diesen Vorgang nun pflegen die Untersucher der eigentlichen Wortbedeutungen „Finden“, jenen aber „Wiederfinden“ zu nennen. 87 Für den ersteren nun sind ein ganz klares


  1. Nach dein hebräischen Text: „Einmal hat Gott geredet, zweimal habe ich dies vernommen, daß die Macht bei Gott ist“. Der Vers ist ein sogenannter Zahlenspruch mit Aufsteigen zu der nächst höheren Zahl; das „zweimal“ steht hier im Sinne von „mehrmals, wiederholt“.
  2. Vgl. Über die Riesen § 52 und Anm.
  3. Der psychologische Prozeß ist nach stoischer Lehre geschildert; vgl. Plut. plac. phil. IV 21 (Aet. Diels 411): ἀκοὴ δὲ πνεῦμα διατεῖνον ἀπὸ τοῦ ἡγεμονικοῦ μέχρις ὤτων.
  4. 1 Mos. 6, 7 f.: Übergang zur Deutung von V. 8.
  5. Philo verwertet im folgenden den Doppelsinn von χάρις = Gunst und Gnade.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/20&oldid=- (Version vom 9.2.2022)