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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

nicht verläßt, das lobt er um des Gehorsams willen; was sich aber entfernt, das verfolgt er mit der für Fahnenflüchtige festgesetzten Strafe. 35 Von den Körpern nämlich hat er die einen gebunden durch einen inneren Zusammenhang (ἕξις), die andern durch eine Natur (φύσις), andere durch eine Seele (ψυχή), wieder andere durch eine vernünftige Seele (λογικὴ ψυχή).[1] Als festestes Band nun von Steinen und Hölzern, die ja aus der Verwachsenheit[2] losgerissen werden, schuf er den inneren Zusammenhalt. [278 M.] Dieser aber ist eine Luftsubstanz (πνεῦμα), die sich zu sich selbst zurückwendet; sie beginnt nämlich von der Mitte aus, um sich bis zu den Enden zu erstrecken; ist sie aber an der äußersten Oberfläche angelangt, so kehrt sie wieder um, bis sie an denselben Ort gekommen ist, von dem sie zuerst ausging. 36 Dieser fortwährende Hin- und Rücklauf des inneren Zusammenhaltes ist ein unvergänglicher, den die Läufer nachahmen und an den alle drei Jahre wiederkehrenden Festen[3] in den allen Menschen zugänglichen Theatern als eine gar große, glänzende und erstrebenswerte Tat vorführen. [8] 37 Die Natur aber teilte er den Pflanzen zu,[4] indem er sie mischte aus vielerlei Kräften, der Nährkraft, der Wandlungsfähigkeit und der Kraft des Wachstums. Denn sie werden auch genährt, da sie der Nahrung bedürfen, wie folgendes beweist: Die Pflanzen, die nicht befeuchtet werden, schwinden dahin und gehen ein, so wie andererseits die bewässerten sichtbarlich wachsen; denn die bisher in Niedrigkeit am Boden hinkrochen, schnellen plötzlich empor und werden zu den allerlängsten Trieben. 38 Was brauche ich über ihre Wandlungfähigkeit zu sagen? Denn zur Zeit der Wintersonnenwende fallen die verwelkten Blätter auf die Erde, und die (Knospen) an den Zweigen, die von den Landleuten wie bei lebenden Wesen Augen genannt werden, schließen sich, und alle dem Wachstum dienenden Öffnungen verstopfen sich, während die


  1. Vgl. hierzu Alleg. Erklär. II § 22ff. und Anm. dazu.
  2. In συμφυΐα (vgl. § 40) wird die Wurzel φυ, von der φύσις stammt, empfunden; eine φύσις hat der lebende Baum, aber nicht das losgerissene Holz.
  3. Die τριετηρίς gilt als der älteste Zyklus kultischer Feste; vgl. Horn. Hymn. 34, 11; Herod. 4, 108.
  4. Philo folgt den Stoikern, die gegen Plato und Arietoteies den Pflanzen eine ψυχή absprachen, weil sie die vegetative Kraft (φυτικὴ δύναμις) nicht ψυχή nennen wollten. Belege bei A. Bonhöffer, Epiktet und die Stoa, Stuttgart 1890 S. 67ff. Philo geht dann weit über die Stoa hinaus, so daß im folgenden die Pflanzen von beseelten Wesen kaum zu unterscheiden sind, hält sich aber streng an die stoische Terminologie.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/9&oldid=- (Version vom 3.2.2022)