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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

halbvollkommen; die eine von ihnen nämlich hat den Vater sehr lieb und hängt an ihm, die Mutter aber und ihre Anordnungen beachtet sie nicht, die andere hinwiederum liebt allem Anschein nach die Mutter und ist ihr gegenüber in jeder Hinsicht dienstbeflissen, aber um die Anordnungen des Vaters kümmert sie sich blutwenig. Die erste Schar nun wird über alle den Siegespreis davontragen, ihr Widerpart dagegen wird nur Niederlage und zugleich Untergang erdulden; von den beiden übrigen wird sich die eine den zweiten, die andere den dritten Preis erwerben, und zwar den zweiten Preis (die Schar), die dem Vater, den dritten die, welche der Mutter gehorcht. [10] 36 Das am klarsten ausgeprägte Vorbild der mutterliebenden Schar, die den Meinungen der Menge nachgibt und in den vielgestaltigen Bestrebungen des Lebens sich in mannigfache Formen wandelt nach der Art des [363 M.] ägyptischen Proteus, der durch die natürliche Fähigkeit, alle im Weltall möglichen Formen anzunehmen, sich davor schützte, seine wahre Gestalt zu offenbaren, ist Jithro;[1] er, ein Gebilde hochmütigen Dünkels,[2] paßt zu einem Staate und zum politischen Treiben[3] zusammengelaufener und durcheinander gemischter Menschen, die infolge ihrer hohlen Wahnideen haltlos hin und her schwanken.[4] 37 Denn


  1. Philos Vorgänger leiteten den Namen Jithro von יתרüber etwas hinausgehen ab. Er ist daher den einen der Typus des überflüssigen, über das Naturgesetz hinausgehenden positiven Rechtes (Über die Geb. Abels § 50; Über die Landw. § 43 und Anmerkungen!)‚ das (von kynischen Voraussetzungen aus) verworfen wird, – den anderen Vertreter der Selbstüberschätzung. Philo versucht hier und De mut. nom. § 103ff. zwischen diesen beiden Auffassungen eine Art innerer Beziehung herzustellen. In wörtlichem und lobendem Sinne wird Jithros Auftreten (2 Mos. 18) Über die Einzelges. IV § 173 aufgefaßt.
  2. Seine Bezeichnung als πλάσμα τύφου weicht von der sonstigen Etymologie ab (vgl. die Anm. Leisegangs, Ü. d. Geb. Abels § 50 und Heinemanns, Ü. d. Landwirtsch. § 43). An der letztgenannten Stelle und De mut. nom. 103 wird Jithro mit dem τῦφος identifiziert.
  3. Hier wird Jithro als der Repräsentant des πολιτικὸς ἀνήρ, ähnlich wie einen solchen Philo Über Joseph § 31, 58ff. schildert, im Gegensatz zu Moses aufgefaßt, welcher den πολιτικὸς ἀνὴρ κατὰ φύσιν vorstellt. Als Vertreter des positiven Staatsgesetzes steht Jithro Ü. d. Landwirtsch. 43 im Gegensatz zum Naturgesetze, von dem er nichts weiß und nichts wissen will. Vgl. Ü. d. Geb. Abels 50 und De mut. nom. 104.
  4. Aus Plato hat Philo die eleatische Lehre vom Beharren und von der Ruhe angenommen, die deshalb für ihn ein Attribut des höchsten Wesens und seiner Abbilder sind, wogegen er Unruhe und Schwanken als minderwertig ansieht und dem Vergänglichen zuschreibt. (In Verbindung mit Jithro, s. Ü. d. Riesen § 50.) In dem Wort αἰωρουμένων liegt zugleich der Nebenbegriff des Emporhebens; Anspielung auf das Aufgeblasene, das Jithro verkörpert.
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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/020&oldid=- (Version vom 8.6.2018)